Leitsatz (amtlich)

Die Veräußerung des Geschäftswerts nach Erklärung der Betriebsaufgabe und anschließender Betriebsverpachtung im Ganzen führt zu nachträglichen, nicht nach den §§16 und 34 EStG steuerbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. von § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

 

Sachverhalt

Die Klägerin (Frau EH) war Erbin ihres 1987 verstorbenen Ehemannes CH. CH hatte bis zum Jahr 1971 eine Apotheke betrieben. 1971 erklärte CH die Betriebsaufgabe; fortan verpachtete er den Betrieb. Nach seinem Tod setzte seine Ehefrau EH die Verpachtung zunächst fort. Im Streitjahr 1993 veräußerte sie den Betrieb. Dabei erzielte sie für den Geschäftswert einen (Netto-)Erlös von rd. 520 000 DM. Bei der Betriebsaufgabeerklärung durch CH im Jahr 1971 hatte das Finanzamt keinen Geschäftswert berücksichtigt. Im Streitjahr 1993 erfasste das Finanzamt den Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftswerts als - nicht i.S. von §§ 16, 34 EStG begünstigte - Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Klage[1] und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH ist ein originärer wie ein derivativer Geschäftswert bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nach erklärter Betriebsaufgabe im Rahmen der Verpachtung des Gewerbebetriebs nicht anzusetzen[2]. Dies folgt vor allem aus der Erwägung, dass ein sowohl selbst geschaffener als auch entgeltlich erworbener Geschäftswert nicht privatisierbar ist. Die Höhe des Geschäftswerts wird entscheidend von den erwarteten - naturgemäß mehr oder minder unsicheren - Zukunftserträgen des Unternehmens beeinflusst, die wiederum maßgeblich auf eine Reihe wenig greifbarer, mehr oder weniger flüchtiger heterogener Faktoren (z.B. Ruf des Unternehmens, Kundenstamm, Konkurrenzsituation, Organisation) zurückzuführen sind. Diese Umstände bedingen, dass eine Quantifizierung des Geschäftswerts vor seiner Veräußerung mit erheblichen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet ist und je nach Anwendung der verschiedenen Methoden zur Unternehmensbewertung zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Durch die Fortexistenz des Geschäftswerts auch nach Abgabe der Betriebsaufgabeerklärung durch den Verpächter als dessen Betriebsvermögen (ohne Betrieb) ist gewährleistet, dass ein nach Beendigung des Pachtverhältnisses vom Verpächter erzielter Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftswerts im Veräußerungsjahr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst werden kann.

Der dagegen erhobene Einwand, dass der (originäre wie derivative) Geschäftswert als Folge der erklärten Aufgabe des verpachteten Betriebs "untergehe" und daher weder bei Erklärung der Betriebsaufgabe noch zu einem späteren Zeitpunkt der Einkommensbesteuerung unterworfen werden könne, überzeugt nicht. Anders als in dem mit einer Zerschlagung der betrieblichen Organisationseinheit verbundenen Normalfall der Betriebsaufgabe existiert der Geschäftswert im Falle der Betriebsverpachtung im Ganzen in der Hand des Verpächters unabhängig davon fort, wie dieser von seinem Wahlrecht zwischen Betriebsaufgabeerklärung und Betriebsfortführung Gebrauch macht.

Gleichfalls abzulehnen ist die Ansicht, eine Besteuerung des im Streitjahr 1993 von EH erzielten Gewinns aus der Veräußerung des Geschäftswerts komme deswegen nicht in Betracht, weil der bei Beginn der Betriebsverpachtung (1971) vorhandene originäre Geschäftswert sich im Laufe der langjährigen Verpachtung nach und nach "verflüchtigt" habe und durch den vom Betriebspächter neu geschaffenen Geschäftswert "verdrängt" worden sei. Selbst vom Boden der sog. Trennungstheorie aus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass der im "Pächterbetrieb" neu geschaffene (originäre) Geschäftswert nicht dem Restbetriebsvermögen der Verpächter zuzuordnen, sondern erst mit Beendigung des Pachtverhältnisses vom Pächter in das Privatvermögen der EH übergegangen sei. Der im "Pächterbetrieb" neu aufgebaute Geschäftswert trat vielmehr schrittweise an die Stelle des im Restbetriebsvermögen der Verpächter verbliebenen und sich allmählich verflüchtigenden alten Geschäftswerts und teilte in steuerrechtlicher Sicht als "Surrogat" dessen Rechtsnatur als Restbetriebsvermögen der Verpächter. Einer Übertragung oder eines Übergangs des Geschäftswerts bei Pachtende vom Pächter auf den Verpächter bedurfte es daher nicht. Der Betrieb, einschließlich des Geschäftswerts, stand auch während der Verpachtung allein im wirtschaftlichen Eigentum der Verpächter. Er war dem Pächter lediglich (auf Zeit) zur Nutzung überlassen. Dies galt auch in Bezug auf den während der Pachtzeit neu gebildeten und den alten Firmenwert schrittweise surrogierenden Geschäftswert. Dessen Höhe mag zwar auch durch die Tätigkeit des Pächters (mit)beeinflusst worden sein, so dass dieser - allerdings nur bei entsprechender Regelung zwischen den Pachtvertragspartnern - einen Anspruch gegen den Verpächter auf Wertausgleich hat. Dies ändert aber nichts daran, dass er schon im Zeitpunk seiner sukzessiven Entstehung dem Verpächter gehörte und von Anfang an...

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