Leitsatz

  1. Teilt der Sachbearbeiter nach Aufgabe des Steuerbescheids zur Post, aber vor dessen Zugang, den Empfangsbevollmächtigten telefonisch mit, der Bescheid sei falsch und solle deshalb nicht bekanntgegeben werden, wird der Bescheid trotz des späteren Zugangs nicht wirksam.
  2. Nimmt ein nicht zur Entgegennahme von Willenserklärungen ermächtigter Mitarbeiter der Empfangsbevollmächtigten die Mitteilung entgegen, ist diese den Empfangsbevollmächtigten zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem unter regelmäßigen Umständen damit zu rechnen ist, dass der Mitarbeiter als Empfangsbote die Mitteilung weiterleitet.
 

Sachverhalt

Das Finanzamt setzte am 06.10. Zinsen fest und adressierte den Bescheid an die Empfangsbevollmächtigten des K. Der Bescheid ging am Vormittag des 06.10. zur Post. Nachdem der Sachbearbeiter einen Fehler bemerkte hatte, rief er deshalb am späten Vormittag des 06.10. bei den Empfangsbevollmächtigten an und informierte einen Mitarbeiter, der Zinsbescheid sei falsch und solle nicht bekanntgegeben werden; es komme ein neuer Bescheid. Am 17.10. setzte das Finanzamt höhere Zinsen fest. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt, der BFH wies sie ab.

 

Entscheidung

Der Widerruf war rechtzeitig und wirksam. Aus § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich nicht, dass eine schriftliche Willenserklärung nur schriftlich widerrufen werden kann.

Steuerbescheide müssen wirksam bekanntgegeben werden. Das erfordert den Bekanntgabewillen des Beamten, der den Bescheid regelmäßig abzeichnet und seine Ausfertigung der Poststelle des Finanzamts zuleitet. Der Bescheid wird nicht wirksam, wenn der Bekanntgabewille vor der Absendung aufgegeben wird. Es genügt, dies in den Akten eindeutig zu dokumentieren. Hat der Bescheid die Behörde bereits verlassen, ist die Aufgabe des Bekanntgabewillens unbeachtlich.

Unabhängig vom Zeitpunkt der Aufgabe des Bekanntgabewillens wird ein Bescheid auch dann nicht wirksam, wenn die Behörde dem Empfänger vor oder mit dem Zugang des Bescheids mitteilt, er solle nicht gelten. Da Verwaltungsakte empfangsbedürftige Willenserklärung sind, werden sie nur dann mit dem Zugang beim Empfänger wirksam, wenn diesem nicht vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Bis zur Bekanntgabe können Verwaltungsakte frei widerrufen oder aufgehoben werden.

Ein schriftlicher Bescheid kann auch mündlich widerrufen werden. Wird ein telefonischer Widerruf nicht gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Bevollmächtigten erklärt, sondern dessen Mitarbeiter, so ist dieser Empfangsbote. Der Widerruf geht dann in dem Zeitpunkt zu, in dem unter regelmäßigen Umständen mit der Weiterleitung zu rechnen ist.

Nicht entschieden wurde, ob der Widerruf vor dem tatsächlichen Zugang des Bescheids zugehen muss, oder ob es ausreicht, wenn dies vor dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post geschieht. Ersteres dürfte richtig sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 28.05.2009, III R 84/06.

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