Leitsatz

  1. Bestreitet der Leistungsempfänger substantiiert Bestehen und Höhe des vereinbarten Entgelts, kommt eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 in Betracht. Eine Forderung ist aber nicht schon dann uneinbringlich, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann.
  2. § 137 Satz 1 FGO ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung auf dem verspäteten Tatsachenvortrag oder Beweis beruhen muss; die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Entscheidung bei rechtzeitigem Tatsachenvortrag oder Beweis genauso ausgefallen wäre.
 

Sachverhalt

Eine ARGE erhielt im September 1998 von der WohnbauG den Auftrag, eine Wohnanlage zu sanieren. Hierfür wurde ein Pauschalfestpreis von 1480029,24 DM einschließlich Umsatzsteuer vereinbart. Im Februar 1999 zogen die ersten Mieter in das Gebäude ein. Bis dahin hatte die ARGE mehrere Abschlagszahlungen erhalten. Die WohnbauG erstellte am 17.2.1999 eine Schlussabrechnung, in der sie u.a. einen Rückbehalt bis zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der Fassade in Höhe von 227400 DM geltend machte. Im anschließenden Streit über die Nachbesserung der Fassade holte die ARGE am 1.5.1999 ein Sachverständigengutachten ein, wonach eine Neuherstellung des Putzes zur Mängelbeseitigung erforderlich, aber unangemessen sei. Während die ARGE damit keine Verpflichtung zur Nachbesserung sah, war die WohnbauG aufgrund des eigenen Sachverständigengutachtens vom 6.7.1999 der Meinung, die Mängel an der Fassade seien mit einem Aufwand von 130000 DM zu beseitigen. Sie müsse den Betrag von 227400 DM bis zur ordnungsgemäßen Fertigstellung nicht bezahlen. Anfang Dezember 2000 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach die WohnbauG noch 140000 DM zahlen musste und alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten waren. Die Klage vor dem LG wurde nach erfolgter Zahlung zurückgenommen.

Bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 vertrat die ARGE die Auffassung, nur die geleisteten Abschlagszahlungen dürften besteuert werden, da die Abnahme des Werks ausdrücklich verweigert worden sei. Selbst wenn die Werklieferung im Jahre 1999 ausgeführt worden sei, sei die Bemessungsgrundlage um das zurückbehaltene Entgelt zu ermäßigen. Ihre Forderung sei in dieser Höhe im Jahr 1999 uneinbringlich geworden, da sie für geraume Zeit nicht durchsetzbar gewesen sei. Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG, dass die Umsatzsteuer für 1999 gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG zu berichtigen war. Seine Beurteilung, dass die WohnbauG die Werklohnforderung der ARGE in Höhe von 227 400 DM substantiiert bestritten hatte und deshalb im Streitjahr 1999 damit zu rechnen war, dass die ARGE insoweit ihre Werklohnforderung auf absehbare Zeit nicht durchsetzen konnte, war rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Berichtigung der Umsatzsteuer im Streitjahr 1999 steht auch nicht entgegen, dass die Umsatzsteuer bei Zahlung der 140000 DM, auf die sich die ARGE und die WohnbauG im Dezember 2000 verglichen haben, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen ist; denn die Frage, ob eine Berichtigung zulässig ist, ist grundsätzlich ohne Berücksichtigung späterer Ereignisse zu beantworten.

 

Praxishinweis

Ob ein Steuerpflichtiger seine Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt unter Berufung auf volle oder teilweise Uneinbringlichkeit seiner Entgeltsforderung gegenüber dem Leistungsempfänger mindern darf, hängt regelmäßig vom Nachweis der fehlgeschlagenen Beitreibung ab.

Der BFH setzt mit dem Besprechungsurteil seine Linie[1] fort, die Uneinbringlichkeit auch bei "substantiiertem Bestreiten" der Forderung durch den Leistungsempfänger anzuerkennen – jedoch erst ab diesem Zeitpunkt. Ausgenommen sind Fälle, in denen der Abnehmer des Werks die fällige Leistung ohne substantiiertes Bestreiten der Forderung nur verzögert erbringt oder in denen Baumängel nach dem Willen beider Vertragsparteien noch beseitigt werden sollen.

Der BFH macht ferner darauf aufmerksam, dass das Finanzamt durch Hinzuziehung oder Beantragung der Beiladung sicherstellen kann, dass die Uneinbringlichkeit beim Leistenden und beim Leistungsempfänger gleich beurteilt wird. Das gilt insbesondere, falls der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der bestreitende Leistungsempfänger sollte dieses Risiko der Vorsteuerkürzung berücksichtigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 22.4.2004, V R 72/03

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