Haftung für Anlagen

Kernpunkte des Umwelthaftungsgesetzes (UmweltHG)[1] sind schlagwortartig:

  • verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung,
  • Haftung auch für den Normalbetrieb,
  • Beweiserleichterungen für den Geschädigten durch Kausalitätsvermutungen und Auskunftsansprüche,
  • Pflicht zur Deckungsvorsorge.

Wer nun unter welchen Voraussetzungen in welchem Umfang haftet, wird im Folgenden dargestellt.

[1] BGBl 1990 I S. 2634, in Kraft seit dem 1.1.1999, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 17.7.2017, BGBl I S. 2421.

2.1 Voraussetzungen der Haftung

2.1.1 Anlagenhaftung

Haftung nur für Anlagen

Nach § 1 UmweltHG ist Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht, dass durch eine Umwelteinwirkung, die von einer Anlage ausgeht, Personen- oder Sachschäden entstanden sind.

Das Gesetz gilt also nur für bestimmte umweltgefährdende Anlagen, die abschließend in Anlage 1 des Gesetzes aufgeführt sind.[1] Dort sind 96 verschiedene Anlagetypen aufgelistet – vom Kraftwerk bis zur Autolackiererei.

 
Praxis-Beispiel

Anlagenhaftung

So unterliegen der Gefährdungshaftung nach § 1 UmweltHG bspw. Inhaber von ortsfesten Anlagen i. S. d. § 4 AbfG zum Lagern, Behandeln oder Ablagern von Abfällen i. S. d. § 2 Abs. 2 AbfG (Nr. 75 Anhang 1 UmweltHG).[2]

Nicht hingegen sind Anlagen, in denen gefährliche Stoffe (hier: brennbare Gase) bestimmungsgemäß verwendet werden, kein "Lager" i. S. d. Nr. 78 des Anhangs 1 zum UmweltHG (hier: bestimmungsgemäße Verwendung von Ammoniak in einer geschlossenen Ammoniakkälteanlage).[3]

Was ist eine Anlage?

Unter "Anlagen" sind gemäß § 3 Abs. 2, 3 UmweltHG ortsfeste Einrichtungen wie Betriebsstätten und Lager nebst entsprechenden Einrichtungen (Maschinen, Geräte, Fahrzeuge usw.) zu verstehen. Allerdings lässt sich dem Merkmal "ortsfest" nicht eindeutig entnehmen, ob unter den Anlagenbegriff nur die betreffende besonders gefährliche konkrete Einrichtung oder die ganze Betriebsstätte fällt.[4]

Die Haftung erstreckt sich auch auf noch nicht fertiggestellte und nicht mehr betriebene Anlagen (§ 2 UmweltHG).

Abgrenzung

Da der Schaden auf eine Anlage zurückzuführen sein muss, gilt das UmweltHG nicht für menschliche Handlungen, wie z.  B. das Einbringen, Aufbringen oder Einleiten umweltgefährdender Stoffe auf Boden, Wasser und Luft. Nicht erfasst werden auch Schäden, die zwar über die Umwelt verursacht, jedoch nicht auf eine Anlage, sondern ein Produkt zurückzuführen sind (z. B. giftige Holz- oder Pflanzenschutzmittel).[5]

Haftungsausschluss

Ausgeschlossen ist die Haftung, soweit der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden ist (§ 4 UmweltHG). Sie liegt vor, wenn eine Einwirkung von außen kommt, außergewöhnlich ist und nicht abgewendet werden kann.[6]

Einen vertraglichen Haftungsausschluss verbietet das UmweltHG nicht. Doch muss es sich dann um Individualvereinbarungen handeln. Bei Haftungsausschlüssen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird deren Wirksamkeit meist an § 307 bzw. § 309 Nr. 7 BGB scheitern.[7]

Gesetzeskonkurrenz

Auch nach der Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und der damit verbundenen Aufhebung des § 5 AbfG haftet der Betreiber von Anlagen, welche der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dienen, nach § 1 UmweltHG i. V. mit Nr. 77 der Anlage 1 für von der Anlage ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen.[8]

Insoweit kann auch eine Ordnungsverfügung in Betracht kommen,[9] ebenso der Kostenersatz für den Einsatz der Berufsfeuerwehr.[10]

 
Hinweis

Inhaber haftet

Verantwortlich ist der Inhaber der Anlage. Dies ist grundsätzlich jeder, der die Anlage auf eigene Rechnung benutzt, wer über sie verfügen kann und auch für die Kosten der Unterhaltung verantwortlich ist.[11] Es haftet also der Betreiber (z.  B. der Pächter), nicht unbedingt der Eigentümer.

[1] VG Düsseldorf, Urteil v. 7.5.2010, 26 K 3136/08, juris.
[2] OVG Münster, Beschluss v. 14.10.2014, 9 A 265/12, juris.
[3] VG Minden, Urteil v. 22.11.2021, 3 K 2474/19, juris.
[4] OVG Münster, Beschluss v. 14.10.2014, 9 A 265/12, juris.
[5] Vgl. Mayer, MDR 1991, S. 813, 814, m. w. N.; zur Problematik bei unzulänglicher Abfallentsorgung vgl. Hager, NJW 1991, S. 134, 135.
[6] Rau in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Auflage 2020, 24. Kapitel. Haftung für Umweltschäden, Rn. 54.
[7] Münkel, a. a. O., Rn. 57.
[8] OVG Münster, Beschluss v. 3.11.2009, 9 A 2398/08, NVwZ 2010 S. 466.
[9] Dazu BVerwG, Urteil v. 15.10.2014, 7 C 1/13, NVwZ 2015 S. 153 (auf Beseitigung kontaminierten Löschwassers nach einem Brand auf dem Betriebsgelände).
[10] VG Minden, Urteil v. 22.11.2021, 3 K 2474/19, juris; VG Köln, Urteil v. 13.6.2008, 27 K 4818/06, BeckRS 2010, 49247.
[11] Rau in Geigel, Haftpflichtprozess, a. a. O., Rn. 40.

2.1.2 Umwelteinwirkungen

Haftung nur bei Emissionen

Der Schaden muss durch eine Umwelteinwirkung entstanden sein. Das ist nach § 3 Abs. 1 UmweltHG der Fall, "wenn er durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht wird, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben". Entscheidend ist also, dass der Schaden über die Umwelt verursacht ist. Wer an der Anlage unmittelbar zu Sch...

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