Leitsatz

Sieht ein Umlageschlüssel vor, dass der Eigentümer der Dachgeschossfläche erst "ab Beginn der Ausbauarbeiten" Hausgeld zahlen muss, muss sich dieser Wohnungseigentümer vor dem Beginn der Ausbauarbeiten nicht an Instandsetzungskosten beteiligen.

 

Normenkette

WEG § 16 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Nr. 2, § 28 Abs. 5

 

Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums eine Sonderumlage i.H.v. 38.000 EUR. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er hält es für falsch, dass sich nach dem Beschluss Wohnungseigentümer Z, der Eigentümer einer Dachgeschossfläche, nicht an der Sonderumlage beteiligen soll. Die anderen Wohnungseigentümer halten das hingegen für richtig. Denn Z, der Eigentümer der Dachgeschossfläche, solle nach § 13 Ziff. 8 der Gemeinschaftsordnung Hausgeld erst "ab Beginn der Ausbauarbeiten" zahlen. An einem solchen "Beginn" fehle es noch.

 

Die Entscheidung

So sieht es auch das Landgericht (LG). Die Gemeinschaftsordnung ordne an, dass Eigentümer der Dachgeschossfläche erst ab Beginn der Ausbauarbeiten an der in ihrem Eigentum stehenden Dachgeschossflächen verpflichtet seien, das Hausgeld zu zahlen und dass bis zu diesem Zeitpunkt die entstehenden Kosten von den anderen Wohnungseigentümer zu tragen seien.

  1. Diese Kostenfreistellung erfasse auch die hier im Streit stehenden Instandsetzungskosten und beschränke sich nicht lediglich auf Kosten von Instandhaltungsmaßnahmen.
  2. Allerdings würden in § 13 Ziff. 2 der Gemeinschaftsordnung, der bestimme, was als "Hausgeld" zu verstehen sei, nur Instandhaltungskosten erwähnt. Diese Aufzählung sei aber nicht abschließend, was sich dem Wortlaut "insbesondere" entnehmen lasse. Die Wohnungseigentümer seien folglich berechtigt, neben den Instandhaltungs- auch weitere Kosten, insbesondere auch Instandsetzungskosten, in das Hausgeld einzubeziehen und z.B. neben der Instandhaltungsrückstellung auch eine gesonderte Rückstellung für Instandsetzungsmaßnahmen zu bilden. Hinzu komme, dass § 7 der Gemeinschaftsordnung trotz der engen Überschrift "Gebrauch und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums" auch Regelungen zur Instandsetzung enthalte, beispielsweise in Absatz 4 Satz 5 zur Instandhaltung und Instandsetzung von in gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Rollläden, Markisen, Sonnenschutzanlagen und Einbruchssicherungen. Ferner bestimme § 10 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung unter der Überschrift "Instandhaltung und bauliche Änderungen des Sondereigentums", dass "jeder Sondereigentümer (…) die in seinem Sondereigentum unterliegenden Teile des Gebäudes auf eigene Kosten instand zu halten und instand zu setzen hat." Dies rechtfertige die Annahme, dass der Begriff der Instandhaltung in der Gemeinschaftsordnung in einem umfassenderen Sinn verstanden werden müsse und als Oberbegriff auch Maßnahmen der Instandsetzung erfassen solle.
  3. Das Auslegungsergebnis stehe nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BGH, wonach die Abgrenzung der Instandhaltung von der Instandsetzung von Bedeutung sein könne, wenn die Kosten solcher Maßnahmen in einer Gemeinschaftsordnung oder Vereinbarung unterschiedlich geregelt worden seien (Hinweis auf BGH v. 9.12.2016, V ZR 124/16, NJW-RR 2017 S. 527, 528). Die maßgebliche Gemeinschaftsordnung enthalte keine unterschiedlichen Regelungen.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) unterscheidet zwischen der Instandhaltung und der Instandsetzung. Die Rechtsprechung nimmt diese Unterscheidung in der Regel sehr ernst und meint, wenn eine Vereinbarung nur die Instandhaltung erwähne, dass für die Instandsetzung das Gesetz gelte – und umgekehrt.
  2. Im Fall soll nach einer Auslegung der Regelungen der Gemeinschaftsordnung ausnahmsweise aber etwas anderes gelten. Die Auslegung des LG ist sicherlich vertretbar. Ich selbst wäre aber strenger gewesen. Jedenfalls die maßgebliche Bestimmung, welche Kostenpositionen als "Hausgeld" zu verstehen sind, ordnet ausdrücklich an, dass darunter gerade nicht die Instandsetzung fallen solle.
  3. Soweit das LG ausführt, die Wohnungseigentümer der zu betrachtenden Wohnungseigentumsanlage seien berechtigt, den Begriff Hausgeld zu "erweitern", bleibt dunkel, wie das zu verstehen ist:

    • Sollen die Wohnungseigentümer die Vereinbarung durch Beschluss ergänzen dürfen?
    • Sollen die Wohnungseigentümer die Vereinbarung durch Beschluss interpretieren dürfen?
    • Und haben die Wohnungseigentümer beschlossen, was sie als Hausgeld verstehen wollen?

Was ist für den Verwalter wichtig?

Ich rate an dieser Stelle in vergleichbaren Fällen, also solchen, wo eine Vereinbarung mehrdeutig ist und in der einen oder der anderen Weise verstanden werden kann, zur Vorsicht und schlage vor, dass der Verwalter sich anweisen lassen solle, wie er die entsprechende Bestimmung zu verstehen hat. Das gilt selbstverständlich auch in diesem Fall, wo unklar ist, wie der Begriff "Hausgeld" zu verstehen ist.

Muster: Weisung wegen des Verständnisses einer Umlagevereinbarung

  1. Der Verwalter hat die Wohnungseigentümer darüber ...

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