Leitsatz

Trinkgelder, die im Zusammenhang mit der ärztlich angeordneten Behandlung einer Krankheit hingegeben werden, sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 22.10.1996, III R 240/94, BStBl II 1997, S. 346 = INF 1997, S. 189).

 

Sachverhalt

Eheleute machten für eine Badekur in Abano (Italien) Aufwendungen in Höhe von rund 6700 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Darin enthalten waren Trinkgelder in Höhe von 256 DM, die sie während der Kur dem medizinischen Hilfspersonal gegeben haben wollten. Die Krankenkasse hatte die Kur mit 15 DM je Tag bezuschusst. Das Finanzamt erkannte lediglich die Kurkosten, nicht aber die Trinkgelder an, da es sich nicht um unmittelbare Krankheitskosten handele und außerdem die Hingabe der Trinkgelder nicht nachgewiesen sei.

 

Entscheidung

Der BFH zieht bereits in Zweifel, ob das Finanzamt die Kurkosten anerkennen durfte. Denn es wurde kein vor Kurantritt ausgestelltes amtsärztliches Attest vorgelegt und es stand – trotz des Krankenkassenzuschusses – auch nicht fest, ob der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Kur befürwortet hatte.

Unabhängig davon lehnt der BFH den Abzug der Trinkgelder im Streitfall mit der Begründung ab, solche Aufwendungen im Zusammenhang mit ärztlich angeordneten Heilbehandlungen seien schon dem Grunde nach nicht zwangsläufig. Die gegenteilige Auffassung[1] wird aufgegeben. Aufwendungen für Heilbehandlungen werden zwar typisierend als außergewöhnliche Belastung anerkannt, um zu vermeiden, dass das Finanzamt im Einzelfall in die Intimsphäre eindringt. Das gilt jedoch nur für die eigentliche Heilbehandlung. Darüber hinaus ist die Zwangsläufigkeit wie auch sonst nach Grund und Höhe zu prüfen, z.B. bei Fahrt- oder Zweitwohnungskosten anlässlich einer medizinischen Behandlung. Bei der Prüfung, ob Trinkgelder im Heilbereich zwangsläufig anfallen, bedarf es aber keines Eindringens in die Intimsphäre des Steuerpflichtigen. Es bedarf daher keiner einschränkenden Gesetzesauslegung. Da das Trinkgeld ein über die zu beanspruchende Vergütung hinaus freiwillig gewährtes Entgelt ist, fehlt es an der Zwangsläufigkeit. Denn der Steuerpflichtige hat auch ohne Trinkgeld einen Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung und kann diese auch erwarten. Es handelt sich um ein von der eigentlichen Leistungsvergütung zu trennendes Entgelt, das im Rahmen des § 33 EStG gesondert zu prüfen ist.

 

Praxishinweis

Die – von Anfang an umstrittene – Trinkgeldentscheidung des BFH[2] ist damit überholt. Die Verwaltung hatte sie ohnehin nicht angewandt[3]. In den meisten Fällen waren die Voraussetzungen für den Abzug bereits mangels ausreichenden Nachweises nicht gegeben. Denn der BFH hatte substantiierte Angaben über die einzelnen Empfänger und die diesen zugewandten Beträge verlangt. Ein solcher Nachweis fehlte auch im Streitfall. Schon daran musste der geltend gemachte Abzug scheitern. Allerdings dürfte es in der Praxis sicher Fälle geben, in denen ein Trinkgeld hilfreich sein kann, um eine optimale Behandlung zu gewährleisten. Die Abziehbarkeit kann hier aber nur erreicht werden, wenn eine rechtliche Verpflichtung für das zusätzliche Entgelt besteht, d.h. wenn es sich nicht um ein Trinkgeld, sondern um ein echtes Entgelt für die medizinische Leistung handelt. Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Grundsätze der Entscheidung nur den Bereich der außergewöhnlichen Belastung betreffen. Im Betriebsausgaben- und Werbungskostenbereich sind angemessene Trinkgelder nach wie vor abziehbar.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.10.2003, III R 32/01

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