Leitsatz (amtlich)

"Telefonsex" führt unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (Abgrenzung zum Beschluss des Großen Senats vom 23.6.1964, GrS 1/64 S, BStBl III 1964, S. 500).

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb seit 1989 im Rahmen eines telefonischen Auftragsdienstes Telefonsex. Sie meldete ihre Tätigkeit zum 1.10.1989 bei der Stadt an und warb mit ateliergefertigten Fotos und Annoncen für die Inanspruchnahme ihrer Leistungen. Das Finanzamt beurteilte die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich und erließ einen einheitlichen GewSt-Messbescheid für das Streitjahr 1990. Klage und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 2 EStG unterhalten hat, das der GewSt unterliegt[1]. Die Klägerin hat die (positiven) Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG insofern erfüllt, als sie sich selbständig, nachhaltig und mit der Absicht der Gewinnerzielung betätigt hat. Sie hat sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Denn sie hat für Dritte erkennbar eigene Dienstleistungen angeboten, deren wirtschaftliche Relevanz durch das üblicherweise zu entrichtende Entgelt und durch den offenkundig großen und umsatzstarken einschlägigen "Markt" indiziert wird. Die steuerrechtliche Erheblichkeit einer Vermarktung sexuell einschlägiger Leistungen kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass nach der Auffassung des Großen Senats des BFH[2] auch der Geschlechtsverkehr gegen Entgelt eine "Leistung" i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist, nämlich ein Tun, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann. Hierbei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Leistungen "nur um des Entgelts willen und damit aus wirtschaftlichen Gründen erbracht werden"[3]. Denn Prostituierte "verdienen ihr Geld im Grunde nicht anders als die Inhaber jener Unternehmen, die zwar in Form eines Gewerbebetriebs aufgezogen sind, aber letztlich auch nur der Vermittlung von Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr dienen und deren Besteuerung wohl von niemandem in Frage gestellt wird".

Hiermit stimmt überein, dass nach der Rechtsprechung des BFH die "körperliche Hingabe gegen Entgelt" einer Prostituierten eine Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967/1973 darstellt, weil diese mit ihrer Tätigkeit einen wirtschaftlichen Erfolg durch Erzielung von Einnahmen bezweckt; hierbei ist ohne umsatzsteuerrechtliche Bedeutung, dass die Leistung und das ihr zugrunde liegende Rechtsgeschäft sittenwidrig[4] sind[5]. Der Besteuerung von Einkünften aus Telefonsex als solche aus Gewerbebetrieb steht die - möglicherweise überholte - steuerrechtliche Beurteilung der Prostitution in der Form der Ausübung von Geschlechtsverkehr gegen Entgelt nicht entgegen. Die Aussagen der Rechtsprechung zur fehlenden Teilnahme der Prostituierten am Wirtschaftsleben beziehen sich ausschließlich auf die "gewerbsmäßige Unzucht" im eingeschränkten Sinne der "Hingabe des Körpers" zum Zwecke der sexuellen Betätigung. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob er dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die veränderten gesellschaftlichen Anschauungen zur Sexualität noch folgen könnte. Denn sie gilt jedenfalls nicht für andere und in Anbetracht technischer Innovationen zunehmende Erscheinungsformen der gewerbsmäßigen Förderung sexueller Betätigung. Die Unterscheidung zwischen der nicht gewerbesteuerbaren "gewerbsmäßigen Unzucht" - Betätigung durch Ausübung des Geschlechtsverkehrs - und anderen - sittenwidrigen - Tätigkeiten verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 23.2.2000 - X R 142/95

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