Streitwert für Revisionsverfahren wegen Einkommensteuer vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Leitsatz

Wird der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners unterbrochene Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids vom Insolvenzverwalter aufgenommen, so bestimmt sich der (Kosten-)Streitwert für das weitere Verfahren ab Aufnahme des Rechtsstreits nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die noch unerfüllte Steuerforderung zu erwarten ist.

Sachverhalt

Im Laufe des Revisionsverfahrens wegen Einkommensteuer 1990 und 1991 wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners (G) das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter (V) führte die Revision für G fort. Die Revision hatte insgesamt keinen Erfolg. Der Kostenbeamte des BFH ging bei der Kostenfestsetzung gegenüber V von einem Streitwert von 7.516.503 EUR aus. Dagegen wandte V ein, dass ihm gegenüber lediglich ein Streitwert von 1.000 EUR angesetzt werden dürfe, weil eine Insolvenzmasse zur Verteilung an die Gläubiger (und damit auch an das FA) voraussichtlich nicht vorhanden sei.

Entscheidung

Der BFH entschied, dass der Streitwert für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Aufnahme des Revisionsverfahrens durch V mit 7.516.503 EUR anzusetzen ist. Für die Zeit danach ist jedoch der (Kosten-)Streitwert entgegen der bislang überwiegend vertretenen Ansicht nach der voraussichtlich zu erwartenden Insolvenzquote zu bemessen. Nach § 182 InsO richtet sich der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer Forderung, die der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger bestreitet, nach dem Betrag, welcher bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die betreffende Forderung zu erwarten ist. Dies gilt nicht nur für solche Klagen, die gegen einen vom FA gemäß § 251 Abs. 3 AO i. V. mit § 185 Satz 1 InsO erlassenen Feststellungsbescheid erhoben werden, sondern muss entsprechend auch für die Aufnahme eines bereits vom Gemeinschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Gang gesetzten Klage- oder Revisionsverfahrens gelten.

Hinweis

Der vorstehende Beschluss folgt nicht der bisher herrschenden Meinung, wonach der Streitwert bei einem vom Gemeinschuldner begonnenen und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter oder einen anderen Insolvenzgläubiger aufgenommenen Rechtsstreits unverändert bleibt (so z.B. FG Hamburg, Beschluss v. 28.10.1974, IVa 330/66 H (IV), EFG 1975 S. 125, zum Konkursverfahren; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Abschnitt 6.2 - Streitwert-Kommentar Finanzgerichtliche Verfahren - Stichwort "Insolvenz"; Brandis, in: Tipke/Kruse, AO-FGO, Vor § 135 FGO Rz. 214; vgl. dagegen aber Starke in Schwarz, FGO, Vor § 135 Rz. 29, Stichwort "Insolvenzverfahren"). M.E. trägt der Besprechungsbeschluss zutreffend dem Umstand Rechnung, dass das finanzielle (wirtschaftliche) Interesse des den Rechtsstreit fortsetzenden Insolvenzverwalters oder Insolvenzgläubigers sich lediglich nach dem Betrag richtet, den das FA im Fall seines Obsiegens aus der Insolvenzmasse erhalten würde, also nach der voraussichtlichen Insolvenzquote. Etwas anderes gilt m. E. aber dann, wenn das FA die Steuerforderung, die dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegt, bereits vereinnahmt hat und es folglich darum geht, ob ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse besteht.

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 26.09.2006, X S 4/06