Leitsatz

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, das selbstgenutzte Einfamilienhaus von der Grundsteuer auszunehmen.

 

Sachverhalt

A ist Eigentümer eines Grundstücks, das er im Jahr 1967 mit einem Einfamilienhaus bebaut hatte. Das Finanzamt hatte den Einheitswert von 309 200 DM im Sachwertverfahren ermittelt. Der Grundsteuermessbetrag wurde bestandskräftig auf 1014,70 DM festgestellt. 1998 beantragte A unter Berufung auf den Beschluss des BVerfG vom 22.6.1995[1] zur Vermögensteuer, den Grundsteuermessbescheid aufzuheben, da die Erhebung der Grundsteuer auf selbstgenutzte Einfamilienhäuser gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verstoße. Dies lehnte das Finanzamt ab.

 

Entscheidung

  1. Die Gesetzeskraft des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995[2] ist gemäß § 31 Abs. 2 i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG auf die Vermögensteuer beschränkt und hat keine Bedeutung für die Grundsteuer, weil lediglich die Entscheidungsformel in Gesetzeskraft erwächst und sich diese in dem Beschluss ausschließlich auf das VStG bezieht. Die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG erstreckt sich zwar über die Entscheidungsformel hinaus auch auf die tragenden Entscheidungsgründe; dies gilt aber nur, soweit sie das überprüfte Gesetz, also das VStG, betreffen[3]. Dem Beschluss des BVerfG zur Vermögensteuer ist auch ungeachtet fehlender Bindung nach § 31 BVerfGG nicht zu entnehmen, dass selbstgenutzte Einfamilienhäuser von der Grundsteuer zu befreien seien. Dies gilt auch insoweit, als in dem BVerfG-Beschluss von Sollertragsteuern die Rede ist.
  2. Das BVerfG geht vielmehr von dem Grundsatz aus, dass auch der Bestand des ruhenden Vermögens einer Steuerbelastung unterworfen werden könne, wie dies bei der Vermögensteuer und den Realsteuern der Fall sei. Diese Aussage schließt ausdrücklich die Grundsteuer ein, indem in dem BVerfG-Beschluss neben Abs. 2 Nr. 1 des Art. 106 GG auch dessen Abs. 6 – und damit die Grundsteuer – in Bezug genommen wird. Für die Grundsteuer gelten lediglich die aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sich ergebenden Grenzen, wie sie das BVerfG[4] unter Heranziehung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit neu bestimmt hat[5]. Diese Grenzen sind im Streitfall durch die Grundsteuer nicht überschritten worden.
  3. Die Ausführungen des BVerfG zum selbstgenutzten Gebrauchsvermögen sind auf die Grundsteuer auch deshalb nicht übertragbar, weil diese als Sollertragsteuer stets eine Realsteuer bliebe, die ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung zum Steuerobjekt erhoben wird[6]. Die Selbstnutzung des Einfamilienhauses gehört aber zu den unbeachtlichen persönlichen Beziehungen des Steuerpflichtigen zum Steuerobjekt. Sie kann daher keine Freistellung von der Grundsteuer erfordern.
 

Praxishinweis

Die hier entschiedene Streitfrage ist kein verfassungsrechtliches Kernproblem der Grundsteuer. Viel problematischer ist die noch immer fortbestehende Anbindung der Grundsteuer an die völlig überholten Einheitswerte 1964 (West) und 1935 (Ost).

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 19.7.2006, II R 81/05

[2] Vgl. ebenda
[5] Vgl. Pezzer, Der Halbteilungsgrundsatz ist tot, und nun?, DB 2006, S. 912

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