Leitsatz

Wer eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben und durch einen Fehler des Finanzamts einen Bescheid über die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags erhalten hat, begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er in der Einkommensteuererklärung für ein Folgejahr den festgestellten Verlustvortrag in Anspruch nimmt.

 

Sachverhalt

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige für Veranlagungszeiträume vor den Streitjahren fehlerfrei positive Einkünfte erklärt, die das Finanzamt fehlerhaft als negative Einkünfte erfasst und einen verbleibenden Verlustvortrag festgestellt hatte. In der Einkommensteuererklärung für den Streitzeitraum nahm er den festgestellten Verlustvortrag zunächst in Anspruch, erklärte dann aber im Rahmen einer Außenprüfung unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung i.S.d. StraBEG (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung v. 23.12.2003, BGBl 2003 I S. 2928), er habe damit eine Steuerhinterziehung begangen und deshalb für die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG (nur) eine Abgabe i.H.v. 25 % dieser Einnahmen zu zahlen.

Der BFH hat jedoch klargestellt, dass mangels Straftat die Voraussetzungen für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nicht vorgelegen hatten. Die Einkommensteuererklärungen für die Vorjahre wiesen zutreffend positive Einkünfte aus. Auch die Erklärungen für die Folgejahre waren weder unrichtig noch unvollständig, denn der (fehlerhafte) Verlustfeststellungsbescheid war in Bestandskraft erwachsen und berechtigt dazu, den materiell unzutreffend festgestellten Verlustvortrag in Anspruch zu nehmen. Der Steuerpflichtige war auch nicht dazu verpflichtet, das Finanzamt auf die Fehlerhaftigkeit des Bescheids hinzuweisen, da er seine Erklärungspflichten vollständig und richtig erfüllt hatte, sodass § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO keine Anwendung fand. Danach ist eine Berichtigungspflicht im Anschluss an eine abgegebene Steuererklärung u.a. nur vorgesehen, wenn diese Erklärung "unrichtig oder unvollständig" war.

 

Hinweis

Unabhängig von der heute nicht mehr aktuellen Frage der Anwendung der StraBEG–Regelungen macht die Entscheidung deutlich, dass Steuerhinterziehung ein Fehlverhalten des Steuerpflichtigen voraussetzt, dass jedoch nicht dadurch angenommen werden kann, wenn er eine für ihn günstige Fehlentscheidung des Finanzamts in einem bindenden Bescheid (Verlustfeststellungsbescheid) übernimmt, ohne das Finanzamt auf diesen Fehler aufmerksam zu machen. In diesem Fall hat nicht der Steuerpflichtige, sondern das Finanzamt die zu niedrige Steuerfestsetzung veranlasst.

 

Kommentar

Im Zusammenhang mit der Problematik der Steuerhinterziehung ist ein weiteres aktuelles Urteil des BFH interessant (BFH, Urteil v. 15.1.2013, XIII R 22/10). Danach haften Bankmitarbeiter nicht für von unbekannten Kunden mutmaßlich hinterzogene Steuern auf vermutlich im Ausland erzielte Kapitalerträge, auch wenn die Bank den anonymen Kapitaltransfer ermöglicht hat und die vermeintlichen Steuerhinterzieher deswegen nicht ermittelt werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 4.12.2012, VIII R 50/10.

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