Leitsatz

Der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Kfz durch Bedienstete des Europäischen Währungsinstituts (EWI) kann auch dann nach § 4b Nr. 3 UStG 1993 i.V.m. Art. 10 des EWI-Sitzabkommens von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn der Pkw zwar erst nach Aufnahme der Beschäftigung beim EWI erworben, aber als Übersiedlungsgut innerhalb der Frist nach dieser Bestimmung des Abkommens "eingeführt" wurde.

 

Sachverhalt

Ein Ehepaar wohnte bis Anfang März 1997 in Dänemark. Nachdem das EWI der Ehefrau am 6.12.1996 eine Anstellung angeboten hatte, nahm sie am 6.1.1997 ihre Tätigkeit in X (Deutschland) auf. Sie wohnte zunächst provisorisch in einem Appartement des EWI in X, während der Kläger in Dänemark den Umzug nach X organisierte.

Am 19.2.1997 kauften die Eheleute in Dänemark unter Verwendung ihrer zukünftigen gemeinsamen Adresse in X einen fabrikneuen Pkw, dessen Lieferung der dänische Händler als innergemeinschaftliche Lieferung und dem gemäß als von der dänischen Umsatzsteuer befreit behandelte. Der Pkw wurde dem Ehemann am 26.2.1997 in Dänemark übergeben. Am 1.3.1997 fuhr dieser in dem erworbenen Pkw von Dänemark zur neuen Wohnung in X.

Aufgrund der Anmeldung des Pkw bei der Zulassungsstelle X forderte das Finanzamt X die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung zur Durchführung der Fahrzeugeinzelbesteuerung auf. Die Eheleute machten geltend, dass sie aufgrund der Anstellung der Ehefrau beim EWI gemäß Art. 12 Buchst. d bzw. e des sog. Privilegienprotokolls[1] berechtigt gewesen seien, den Pkw in die Bundesrepublik "einzuführen", ohne deutsche Umsatzsteuer entrichten zu müssen. Das Finanzamt setzte dennoch für den innergemeinschaftlichen Erwerb des Pkw Umsatzsteuer fest. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs sei weder nach § 4b Nr. 3 UStG noch aufgrund von internationalen Abkommen steuerfrei. Die Revision hatte dagegen Erfolg.

 

Entscheidung

Zwar ist der Erwerb des Pkw als innergemeinschaftlicher Erwerb eines neuen Fahrzeugs gem. § 1b i.V.m. § 1a UStG in Deutschland umsatzsteuerbar, jedoch nach § 4b Nr. 3 UStG i.V.m. Art. 10 des EWI-Sitzabkommens von der Umsatzsteuer befreit.

Der innergemeinschaftliche Erwerb wird nach § 3d Satz 1 UStG in dem Gebiet des Mitgliedstaats bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, hier also in Deutschland. Denn die Eheleute hatten mit dem dänischen Verkäufer des Pkw vereinbart, dass X Bestimmungsort des Pkw war und der Pkw deshalb nur mit "Grenzkennzeichen" versehen wurde. Entgegen dem FG waren aber auf den steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb § 4b Nr. 3 UStG und Art. 10 des EWI-Sitzabkommens anzuwenden:

  • § 4b Nr. 3 UStG und die grundlegende Bestimmung des Art. 28c Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie befreien den innergemeinschaftlichen Erwerb der Gegenstände, deren "Einfuhr" nach den für die Einfuhrumsatzsteuer geltenden Vorschriften[2] steuerfrei wäre. Darunter fällt u.a. die Einfuhr von Gegenständen durch bestimmte internationale Einrichtungen oder deren Bedienstete gemäß internationaler Übereinkommen. Nur aufgrund der Verweisung dieser Normen führt eine Befreiung von Einfuhrumsatzsteuer oder Einfuhrabgaben zu einer Steuerbefreiung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs.
  • Art. 10 Satz 1 und 2 des EWI-Sitzabkommens setzen – entgegen dem FG – nicht voraus, dass sich das Kfz bereits "bei erstmaliger Aufnahme der Beschäftigung" im Besitz der Begünstigten befunden haben muss, sondern nur, dass sich das Übersiedlungsgut "bei der Einfuhr" im Besitz der Begünstigten befindet. Das war hier der Fall.
 

Praxishinweis

Die Regelungen über die Steuerprivilegierung von Bediensteten europäischer Einrichtungen sind nicht nur generell kompliziert formuliert. Bei der Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs verwenden sie sogar eine "falsche" Terminologie, da es im innergemeinschaftlichen Warenverkehr eben keine "Einfuhr" bzw. "Einfuhrabgaben" mehr gibt.

Entscheidend für die Auslegung solcher Übereinkommen ist – offensichtlich – folgender Gesichtspunkt: Der EuGH legt die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaft und ihrer Bediensteten weit aus, um deren praktische Wirksamkeit nicht zu gefährden.

Das FG meinte – m.E. nicht abwegig –, die Gewährung einer Steuerbefreiung führe zu einem unerwünschten "unversteuerten Endverbrauch". Diesen haben die Vertragsparteien aber in Kauf genommen. Zum Grundsatz der Gleichbehandlung hat der EuGH ausgeführt, dass die Bediensteten der Gemeinschaft steuerrechtlichen Sonderregeln unterliegen, die sich von anderen Arbeitnehmern unterscheiden. Sei's drum.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.9.2006, V R 65/03

[1] EGAbl Nr. L 152 vom 13.7.1967, S. 14

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