Leitsatz (amtlich)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Gilt die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nur, wenn die Heilbehandlung von einer Einzelperson ausgeführt wird oder ist die Befreiung von der Rechtsform des behandelnden Unternehmers unabhängig?
  2. Falls die Befreiung auch bei Kapitalgesellschaften anwendbar ist: Erfasst die Befreiung insgesamt oder teilweise die Umsätze einer Kapitalgesellschaft durch ambulante Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung), die von geprüften Krankenschwestern und Krankenpflegern erbracht wird?
  3. Fallen die bezeichneten Leistungen unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG und kann sich ein Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung berufen?
 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, betrieb in den Streitjahren 1988 bis 1990 einen ambulanten Pflegedienst. Sie verfolgte nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar mildtätige Zwecke durch Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen oder die wirtschaftlich hilfsbedürftig i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 2 AO waren. Der Satzungszweck der Klägerin sollte insbesondere durch häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Hauspflege und Familienpflege verwirklicht werden. Das Finanzamt bescheinigte der Klägerin durch einen bis zum 31.12.1989 befristeten Bescheid, dass sie die bezeichneten mildtätigen Zwecke verfolge. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin mit den angefochtenen Bescheiden USt für die Streitjahre mit dem ermäßigten Steuersatz fest. Die Klägerin meinte, ihre Umsätze seien steuerfrei[1]. Die Klage blieb erfolglos. Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 4 Nr. 14, Nr. 16 und Nr. 18 UStG 1980 und Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c und g der Richtlinie77/388/ EWG.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem EuGH die im Leitsatz genannten Fragen vor.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG …" steuerfrei. Die Rechtsprechung des BFH zu § 4 Nr. 14 UStG hat die Verweisung auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur auf die Beurteilung der Art der Tätigkeit bezogen, nicht aber auf die ertragsteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte. Danach ist die Steuerbefreiung der Umsätze aus der Tätigkeit eines Angehörigen der bezeichneten Berufsgruppen nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG nicht auf die Person des jeweiligen Berufsträgers beschränkt, sondern kann auch von einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beansprucht werden[2]. Nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG[3] verbietet es das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, allein nach der Rechtsform zu unterscheiden, ob eine USt-Befreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 in Betracht kommt oder nicht.

Leistungen durch Behandlungspflege[4] im Rahmen der häuslichen Krankenpflege durch Krankenschwestern und -pfleger hat der Senat als ähnliche heilberufliche Tätigkeiten i.S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 beurteilt[5]. Für Leistungen durch Grundpflege[6] und hauswirtschaftliche Versorgung[7] ist die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 bisher nicht gewährt worden.

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gewährung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer

  1. die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden,
  2. die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.

Es ist für den Senat nicht zweifelsfrei, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen als Umsätze nach diesen Vorschriften angesehen werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 3.2.2000 - V R 1/98

[2] Vgl. BFH-Urteilvom 4.3.1998, XIR 53/96, BStBl II 2000, S. 13 = INF 1998, S. 445
[4] Pflegemaßnahmen, die durch die Erkrankung veranlasst sind
[6] Z. B. Körperpflege, Zubereiten und Aufnahme der Nahrung sowie An- und Auskleiden, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen
[7] Z. B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Waschen der Kleidung

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