Leitsatz

Im Jahr 1994 übte eine Sprachheilpädagogin in Niedersachsen noch nicht eine den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Heilberufen ähnliche Tätigkeit aus. Möglicherweise war sie aber unterrichtend oder erzieherisch tätig.

 

Sachverhalt

Die selbständige Diplom-Pädagogin führt Sprachheilbehandlungen nach ärztlichen Verordnungen durch und rechnet ihre Honorare aufgrund entsprechender Zulassung mit den Krankenkassen ab. Seit 1.2.1999 führt sie die im Land Niedersachsen mögliche Berufsbezeichnung "med. Sprachheilpädagogin"[1].

Für das Streitjahr 1994 setzte das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Dagegen richtet sich die Revision.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sache zur – unterbliebenen – Prüfung zurückverwiesen, ob die streitige sprachheilpädagogische Tätigkeit als selbständige unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist und deshalb nicht der Gewerbesteuer unterfällt. Er ist allerdings der Auffassung, dass sie jedenfalls in Niedersachsen im Streitjahr 1994 keine einem Katalogberuf ähnliche freiberufliche Tätigkeit i. S. der Vorschrift war. Denn zu jener Zeit bedurfte sie keiner Erlaubnis; eine solche Erlaubnis war nach Abschluss einer genau vorgeschriebenen Ausbildung aber für die Katalogberufe, zu denen eine Ähnlichkeit in Betracht zu ziehen war (Heilpraktiker oder Krankengymnast – jetzt Physiotherapeut), erforderlich. Ohne eine solche vergleichbare Erlaubnispflicht kann nach ständiger Rechtsprechung eine Ähnlichkeit nicht angenommen werden[2].

Mangels Rückwirkung ist dem Gesetz über die Berufsbezeichnung der Medizinischen Sprachheilpädagoginnen und -pädagogen vom 2.3.1998[3] nichts anderes zu entnehmen, zumal die damit verbundene Überwachung der Tätigkeit durch die zuständigen Behörden jedenfalls im Streitjahr 1994 noch nicht gegeben war. Auch die Umsatzsteuerfreiheit der Tätigkeit[4] ist in diesem Zusammenhang als bedeutungslos angesehen worden, weil Normzweck der Steuerbefreiung allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer ist und deshalb nicht bei der Auslegung des § 18 EStG herangezogen werden kann[5].

 

Praxishinweis

Schützen die berufsrechtlichen Vorschriften anders als im Streitfall nur die Berufsbezeichnung, hindern also nicht die Ausübung einer inhaltlich entsprechenden Tätigkeit durch Personen ohne diese Berufsbezeichnung, beabsichtigt der IV. Senat nach seinem Anfragebeschluss vom 20.3.2003[6] – bei wohl zu erwartender Zustimmung bislang abweichender Senate –, trotz fehlender Erlaubnis eine Ähnlichkeit i. S. von § 18 EStG anzunehmen, sofern die Tätigkeit inhaltlich die Kenntnisse des ähnlichen Berufs voraussetzt und dementsprechend qualitativ in demselben Umfang ausgeübt wird. Für diesen Fall ist im Bereich der Heilberufe die Zulassung durch eine Krankenkasse als ausreichendes Indiz für eine dem Katalogberuf ähnliche Tätigkeit anzusehen[7].

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.02.2003, IV R 49/01

[1] Vgl. Gesetz vom 2.3.1998, NiedersGVBl 1998, S. 126
[3] Vgl. Gesetz vom 2.3.1998, NiedersGVBl 1998, S. 126
[7] Vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2002, V R 28/00, INF 2003, S. 370; BMF-Schreiben vom 28.2.2000, IV D 2 – S 7170 – 12/00, BStBl I 2000, S. 433 zur Umsatzsteuer; anders BMF-Schreiben vom 3.3.2003, IV A 6 – S 2246 – 8/03, INF 2003, S. 245 zur Einordnung als freiberufliche Tätigkeit; zur Notwendigkeit, aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung eine Ähnlichkeit auch dann anzunehmen, wenn die Erlaubnispflicht nicht in allen Bundesländern, insbesondere aber nicht im Land der Berufsausübung besteht, s. Brandt, Ähnliche Berufe nach § 18 Abs. 1 EStG, DStZ 2002, S. 867ff.

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