Leitsatz

Der BFH holt eine Entscheidung des BVerfG darüber ein, ob § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG 1997 insofern verfassungswidrig ist, als

  1. diese Vorschrift den Abzug von Beiträgen zu Krankenversicherungen mit der Wirkung begrenzt, dass diese im Streitfall nicht ausreichen, damit die Kläger für sich selbst Krankenversicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten und somit angemessenen Umfang erlangen können,
  2. die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Abziehbarkeit der den gesamten Vorsorgebedarf abdeckenden Aufwendungen durch den dem Steuerpflichtigen selbst und seinem Ehegatten zustehenden Höchstbetrag unabhängig davon begrenzt wird, ob unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind oder nicht. Weder § 10 Abs. 3 EStG noch eine sonstige Vorschrift des EStG sieht eine steuerliche Entlastung oder bei der Bemessung des Kindergelds eine Transferleistung für den Fall vor, dass der Steuerpflichtige seine Kinder privat gegen Krankheit versichert, um für diese im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherungsschutz zu erlangen.
 

Sachverhalt

Die steuerpflichtigen Eheleute haben sechs zwischen 1977 und 1995 geborene Kinder. Der Ehemann ist als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Die Eheleute begehrten in ihrer Einkommensteuererklärung 1997 den Abzug von Versicherungsbeiträgen von ca. 66000 DM, darunter Krankenversicherungsbeiträge für sich selbst und ihre Kinder von insgesamt ca. 33000 DM, als Sonderausgaben. Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen lediglich mit 19830 DM, d.h. dem Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 EStG 1997. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Im Revisionsverfahren hielt der BFH die Höchstbetragsregelung für verfassungswidrig und legte die oben formulierten Fragen dem BVerfG zur Beantwortung vor.

 

Entscheidung

Die Krankenversicherungsbeiträge für die Eheleute selbst und ihre unterhaltsberechtigten Kinder gehören insoweit zu den gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG von der Einkommensbesteuerung auszunehmenden existenznotwendigen Aufwendungen, als sie einen angemessenen Rahmen nicht überschreiten, d.h. einen Krankenversicherungsschutz gewähren, der den von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten Umfang nicht übersteigt. Dem muss der Gesetzgeber durch eine realitätsgerechte Bemessung der für die Vorsorgeaufwendungen maßgebenden Sonderausgabenhöchstbeträge Rechnung tragen. Diesen (verfassungsrechtlichen) Anforderungen wird die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 EStG 1997 nicht gerecht.

 

Praxishinweis

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH[1] hält der X. Senat die in § 10 Abs. 3 EStG 1997 statuierte Höchstbetragsbeschränkung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen vornehmlich im Hinblick auf die Benachteiligung von nicht in einer gesetzlichen Kasse krankenversicherten Steuerpflichtigen, zumal mit Kindern, für verfassungswidrig. Angesichts der seit vielen Jahren im Wesentlichen unveränderten Regelung des § 10 Abs. 3 EStG geht der Vorlagebeschluss in seiner Bedeutung weit über das dort zu beurteilende Streitjahr 1997 hinaus und betrifft ebenso die Vorjahre wie auch die Folgejahre bis einschließlich 2004. Auch die aktuelle, seit 2005 geltende Rechtslage[2] entspricht den im Besprechungsbeschluss herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 14.12.2005, X R 20/04

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