Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:

Gilt die Sonderregelung für Reisebüros in Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG auch für Umsätze eines Veranstalters von sog. "High-School-Programmen" und "College-Programmen" mit Auslandsaufenthalt von drei bis zehn Monaten, die den Teilnehmern im eigenen Namen angeboten werden und für deren Durchführung Leistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch genommen werden?

 

Sachverhalt

Eine GmbH veranstaltet internationale Sprach- und Studienreisen. Sie bot in den Streitjahren 1995 bis 1997 u.a. "High-School-Programme" und "College-Programme" an.

High-School-Programme betrafen Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren, die für drei, fünf oder zehn Monate eine High-School oder eine vergleichbare Schule im Ausland besuchen wollten. Der pauschale Reisepreis bei einem Zehn-Monatsaufenthalt betrug 9 860 DM, bei einem Fünf-Monatsaufenthalt 8 970 DM. Er umfasste

  • Flug ab Frankfurt/Main in die USA und zurück sowie Reiseleitung,
  • Anschlussflüge innerhalb Deutschlands,
  • Anschlussflüge innerhalb der USA bis zum Zielort und zurück,
  • Wohnung und Verpflegung bei der Gastfamilie,
  • Unterricht an der High-School,
  • Betreuung durch die Partnerorganisation und deren örtliche Mitarbeiter während des Aufenthalts,
  • Vorbereitungstreffen,
  • Vorbereitungsmaterial,
  • Reiserücktrittsversicherung.

Je Teilnehmer des USA-High-School-Programms bezog die GmbH im Wirtschaftsjahr 1996/97 durchschnittlich Vorleistungen in Höhe von 6 231,72 DM. Für Kost und Logis bei den Gastfamilien entstanden keine Aufwendungen, weil diese keine Entschädigung für die Aufnahme der Teilnehmer erhielten, sondern aus ideellen Motiven handelten. Das Finanzamt verneinte Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG und nahm steuerfreie Leistungen i.S. von § 4 Nr. 23 UStG zu Erziehungs- oder Ausbildungszwecken an. Das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt legte Revision ein.

 

Entscheidung

Der BFH setzt das Revisionsverfahren aus und legt dem EuGH die obige Frage zur Vorabentscheidung vor. Der Senat hält zwar die Beurteilung der Umsätze der Klägerin als Reiseleistungen i.S.v. § 25 UStG bzw. als "Umsätze der Reisebüros" i.S. von Art. 26 der 6. RL für möglich, hat aber Auslegungszweifel aufgrund der EuGH-Rechtsprechung[1] zur Anwendung der Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen[2] auf Reisen im Zusammenhang mit Schüleraustauschprogrammen.

Art. 26 der 6. RL sieht eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Besteuerungsgrundlage für bestimmte Umsätze von Reisebüros und Reiseveranstaltern vor. Es handelt sich um Umsätze, die sich regelmäßig aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen, die teils im Ausland, teils im Sitzland des Reisebüros erbracht werden. Nach der EuGH-Rechtsprechung sollen die Festlegung eines einheitlichen Besteuerungsorts und die Margenbesteuerung des Reisebüros praktische Schwierigkeiten vermeiden und einen vereinfachten Abzug der gezahlten Vorsteuer, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie erhoben wurde, gewährleisten.

Die Dienstleistungen, die die GmbH als Veranstalterin des Schüleraustauschs anbietet, bestehen in erster Linie in der Auswahl der Schule und der Gastfamilie sowie den Beförderungsleistungen. Beide Leistungen erbringt die Klägerin im eigenen Namen und unter Inanspruchnahme der Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger – der Partnerorganisation und der Fluggesellschaft. Insoweit sind die Voraussetzungen der Sonderregelung wohl erfüllt. Dennoch ist fraglich, ob die angebotenen Austauschprogramme als Reisen im Sinne der Bestimmung anzusehen sind. Denn der EuGH[3] hat Reisen im Zusammenhang mit Schüleraustauschprogrammen nicht als touristische Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 90/340/EWG beurteilt, da ein internationaler Schüleraustausch mit Auswahl einer Schule, der Gastfamilie und der Unterbringung des Schülers durch den Veranstalter nicht die entsprechenden Tatbestandsmerkmale erfülle. Laut EuGH haben diese Dienstleistungen speziell die Bildung der Teilnehmer zum Ziel.

Somit könnten "Umsätze eines Reisebüros" zur Durchführung einer Reise i.S. des Art. 26 der 6. RL verneint werden, wenn auch hier auf den Zweck des Aufenthalts im Ausland abgestellt wird.

 

Praxishinweis

Geht man mit dem EuGH davon aus, dass die allgemeinen Bestimmungen über den Ort der Besteuerung, die Besteuerungsgrundlage und den Vorsteuerabzug aufgrund der Vielzahl und der Lokalisierung der erbrachten Leistungen bei den Reiseveranstaltern zu Anwendungsproblemen führen, die die Ausübung ihrer Tätigkeit behindern würden, so sollte jedenfalls der Anwendungsbereich der – angeblich – vereinfachenden Margenbesteuerung für Reiseleistungen einfach erkennbar sein. Abgesehen davon, dass auch deren Besteuerungsanforderungen bei grenzüberschreitenden Reisen sehr kompliziert formuliert sind, würde eine weitere Erschwerung hinzutreten, wenn man die Tatbestandsmerkmale der Reiseleistungen noch nach dem Zweck der Veranstaltung einordnen müsste. Umsatzsteuerrechtlich wi...

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