Leitsatz (amtlich)

Der Steuerpflichtige kann die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG, die er für den Gewinn aus der Veräußerung eines bebauten Grundstücks gebildet hat, rückwirkend aufstocken, wenn sich der Veräußerungspreis in einem späteren Veranlagungszeitraum erhöht.

 

Sachverhalt

Am 12.12.1980 veräußerte der Kläger ein zum Betriebsvermögen gehörendes Grundstück, auf dem ein Baumarkt betrieben wurde, an die Gemeinde. Im Kaufvertrag verpflichtete sich die Gemeinde - auch für ihren Rechtsnachfolger -, für die Dauer von 15 Jahren auf dem Grundstück keine Baustoffhandlung und keinen Baumarkt mit mehr als 300 qm Verkaufsfläche zu errichten oder zu betreiben. Bei Verletzung dieser Pflicht war eine Vertragsstrafe von 500 000 DM vereinbart. In Höhe des Buchgewinns bildete der Kläger eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG, die er 1981 auf ein Betriebsgrundstück und ein Betriebsgebäude übertrug. Nach der Sanierung verkaufte die Gemeinde das Grundstück. Eigentümerin war im Streitjahr eine Versicherungsgesellschaft, die das Grundstück vermietet hatte. Der Mieter betrieb in seinem Kaufhaus auch einen Baumarkt mit einer Verkaufsfläche von mehr als 300 qm. In dem vom Kläger angestrengten Zivilrechtsstreit schlossen die Prozessparteien auf Vorschlag des OLG im Februar 1987 einen Vergleich, durch den der Kaufvertrag vom 12.12.1980 "rückwirkend" geändert und der Kaufpreis um 400 000 DM erhöht wurde. Mit der Versicherungsgesellschaft einigte sich der Kläger außergerichtlich. Sie verpflichtete sich, für den Kläger Beiträge zu einer Lebensversicherung (fünf Jahresraten von 27 000 DM) zu tragen. Der Kläger stellte die Kaufpreiserhöhung von 400000 DM für 1980 in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG ein und übertrug den Veräußerungsgewinn von 1980 bis 1985 auf neu angeschaffte Ersatzgrundstücke. Den von der Versicherungsgesellschaft 1987 gezahlten Beitrag von 27000 DM behandelte er als außerodentlichen Ertrag des Jahres. Das Finanzamt erhöhte für das Streitjahr 1987 den gewerblichen Gewinn um die Kaufpreiserhöhung von 400 000 DM und um die vom Kläger noch nicht berücksichtigte Forderung gegen die Versicherungsgesellschaft von 108000 DM (135 000 DM ./. 27 000 DM). Das FG wies die dagegen gerichtete Klage im Wesentlichen ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

  1. 1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Forderung des Klägers gegen die Versicherungsgesellschaft auf Zahlung von 135 000 DM in fünf Jahresraten zu je 27 000 DM bereits im Streitjahr 1987 in voller Höhe entstanden und daher zu aktivieren ist. Die Versicherungsgesellschaft entrichtet die jährlichen Beträge von 27 000 DM nicht dafür, dass der Kläger den Betrieb des Baumarkts weiterhin duldet. Für einen solchen Duldungsanspruch gab es keine Rechtsgrundlage mehr, nachdem der Kläger in Vergleichen mit der Gemeinde und der Versicherungsgesellschaft auf die Wettbewerbsklausel verzichtet hatte. In der Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft zur Übernahme der Lebensversicherungsbeiträge ist vielmehr eine in Raten zu zah-
  2. lende Entschädigung für den Verzicht des Klägers auf die Wettbewerbsklausel und für die Nichtbeachtung des Wettbewerbsverbots vor dessen Aufhebung zu sehen. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass die Forderung des Klägers gegen die Versicherungsgesellschaft abzuzinsen ist.
  3. 2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Kaufpreiserhöhung als Entschädigung für Anlaufverluste beurteilt und schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 6b EStG verneint. Die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Kaufpreiserhöhung von 400 000 DM ist auch steuerrechtlich als zusätzliches Entgelt für die Grundstücksübertragung zu werten. Entgegen der Auffassung des Finanzamts durfte der Kläger die Rücklage nach § 6b EStG um die nachträgliche Kaufpreiserhöhung im Jahr 1987 aufstocken. Denn die Vertragsänderung im Februar 1987 ist als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu beurteilen, das den Veräußerungsgewinn im Wirtschaftsjahr der Veräußerung beeinflusst. Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert. Dieser Grundsatz gilt auch für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich, soweit nicht die einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist nach der Rechtsprechung bei Steuertatbeständen gegeben, die an ein einmaliges, punktuelles Ereignis anknüpfen, wie z.B. die Veräußerung eines Gewerbebetriebes nach § 16 Abs. 1 EStG[1].

Die Veräußerung eines nach § 6b EStG begünstigten Anlageguts ist ebenfalls ein Steuertatbestand, der an ein einmaliges, punkt...

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