Leitsätze (amtlich)

  1. Der Verkäufer darf wegen seiner Verpflichtung zur Rückerstattung des Kaufpreises keine Rückstellung bilden, wenn er am Bilanzstichtag mit einer Wandlung des Kaufvertrages nicht rechnen muss. Das gilt auch dann, wenn die Wandlung noch vor Aufstellung der Bilanz erklärt wird.
  2. Dem Anwendungsbereich der Vierten Richtlinie 78/660/EWG (Bilanz-Richtlinie) unterfallen nur Kapitalgesellschaften. In bilanzrechtlichen Fragen, die Einzelunternehmen und Personengesellschaften betreffen, ist deshalb eine Vorabentscheidung des EuGH nicht einzuholen.
 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, veräußerte am 9.3.1990 zwei bebaute Grundstücke an H. Der Besitz sollte nach Abnahme der Gebäude am Tag der Zahlung des Nettopreises von insgesamt 26,3 Mio. DM auf H übergehen. Ein Kaufpreiseinbehalt wegen festgestellter Mängel sollte den Besitzübergang nicht hindern. H nahm die Gebäude am 27.8.1990 ab, ab 10.9.1990 wurden diese von der Klägerin als Pächterin genutzt. Der Wert der - u.a. wegen

festgestellter Mängel - von der Klägerin noch auszuführenden Restarbeiten betrug 1 Mio. DM; die Arbeiten wurden bis 30.11.1990 abgeschlossen. Die verbleibende Wertminderung wurde zwischen den Vertragsparteien ausgeglichen. Der Kaufpreis wurde bis auf 620 000 DM noch im Streitjahr 1990 entrichtet. Dieser Betrag wurde nach einer weiteren Minderung des Kaufpreises um 190 000 DM am 5.3.1991 bis zur Beseitigung weiterer Mängel einbehalten. Im Vertrag vom 20.8.1991 wurde der noch ausstehende Kaufpreis nochmals um 282 000 DM gemindert und die Klägerin von ihrer Verpflichtung zur weiteren Mängelbeseitigung entbunden. Im Dezember 1991 verlangte H wegen weiterer Mängel die Rückabwicklung der Verträge. Diese wurden darauf noch vor der Umschreibung des Eigentums im Februar 1992 einvernehmlich aufgelöst. Der Kaufpreis wurde zurückerstattet. Das Finanzamt erfasste 1990 einen Veräußerungsgewinn von rd. 4,7 Mio. DM. Dabei berücksichtigte es eine Rückstellung für Mängelbeseitigung in Höhe von 515 000 DM. Dagegen meinte die Klägerin, dass sie im Streitjahr noch keinen Gewinn realisiert habe. Jedenfalls sei die Gewinnrealisierung wegen der Rückabwicklung der Verträge mit steuerrechtlicher Rückwirkung wieder zu beseitigen. Hilfsweise machte sie eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe der durch die Veräußerung der Grundstücke aufgedeckten stillen Reserven, hilfsweise in Höhe der ursprünglich in ihrer Bilanz zum 31.12.1990 passivierten Rückstellung für Gewährleistungsverbindlichkeiten in Höhe von 1,2 Mio. DM geltend. Das FG gab der Klage statt[1]. Die Revision hatte insoweit Erfolg, als der BFH nur eine Gewährleistungsrückstellung in Höhe von 1,2 Mio. DM anerkannte.

 

Entscheidungsgründe

  1. Die Klägerin hat mit dem Verkauf der Grundstücke einen Veräußerungsgewinn realisiert. Dies trifft regelmäßig zu, wenn Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind[2]. Eine spätere Vertragsauflösung steht, unabhängig davon, auf welchen Gründen sie beruht, der Gewinnrealisierung grundsätzlich nicht entgegen[3]. Das gilt auch für Werklieferungsverträge[4]. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat ihre Leistungen mit der Übertragung von Besitz, Nutzungen und Lasten nach Abnahme der Gebäude und Zahlung des Kaufpreises durch H noch im Streitjahr erbracht. Die Zurückbehaltung eines Restkaufpreises von 620 000 DM wegen Gewährleistungsansprüchen stand nach den ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Erwerberin nicht entgegen.
  2. Der entstandene Gewinn kann auch nicht durch die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten aus der Rückabwicklung des Kaufvertrages neutralisiert werden. Für Gewährleistungsverpflichtungen, die dem Grunde und der Höhe nach ungewiss sind, sind Rückstellungen zu bilden, wenn und soweit eine Inanspruchnahme aus ihnen wahrscheinlich ist[5]. Das bedeutet, dass am Bilanzstichtag bereits erhobene Mängelrügen zu beachten sind; noch nicht gerügte Mängel sind zu berücksichtigen, wenn und soweit mit einer Inanspruchnahme des Verkäufers zu rechnen ist[6]. Die Klägerin hat nach diesen Grundsätzen zu Recht eine Garantierückstellung gebildet. Die Klägerin musste jedoch nicht mit einem Rückübertragungsanspruch der Erwerberin aus der erst im Dezember 1991 erklärten Wandlung rechnen. Die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Verkäufers aufgrund von Mängelrügen genügt nicht; sie muss wahrscheinlich sein[7]. Daran fehlt es im Streitfall hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin zur Rückerstattung des Kaufpreises. Für eine Wandlung waren am Bilanzstichtag keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr sollten die bis zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Mängel behoben bzw. sollte der Kaufpreis entsprechend gemindert werden; die Erwerberin hat die Klägerin noch am 20.8.1991 gegen Herabsetzung des Kaufpreises von der Mängelbeseitigungspflicht entbunden.
  3. An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass H noch im Dezember 1991 die Wandlung erklärt hat. ...

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