Leitsätze (amtlich)

  1. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung eines Umsatzes gemäß § 9 UStG kann jedenfalls bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung rückgängig gemacht werden.
  2. Hatte der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt.
  3. Die Rückgängigmachung wirkt auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurück. Der leistende Unternehmer schuldet jedoch die dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellte, aber nicht mehr geschuldete Umsatzsteuer bis zur Rechnungsberichtigung nach § 14 Abs. 2 UStG.
 

Sachverhalt

Die Kläger sind Erben des 1999 verstorbenen R (Veräußerer). R betrieb ein Hotel und Restaurant. 1988 veräußerte er den Gesamtkomplex für 12425 000 DM netto zuzüglich 1739 500 DM Umsatzsteuer. Vom Nettoverkaufspreis entfielen 500000 DM auf die Wohnung des R. Die Vertragsparteien änderten den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 29.12. 1988 zunächst - nach den Angaben der Kläger im März 1989 - privatschriftlich dahin, dass der auf die Wohnung entfallende Anteil von 500 000 DM steuerfrei belassen wurde; entsprechend sollte sich der Kaufpreis mindern. Mit seiner USt-Erklärung 1988 erklärte R die Veräußerung der in dem Hotelkomplex befindlichen Wohnung als steuerfreien Umsatz. Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern erhöhte für 1988 die regelbesteuerten steuerpflichtigen Umsätze um 500000 DM. Während des Klageverfahrens - im Februar 1999 - ließen die Vertragspartner die Änderung des ursprünglichen Kaufvertrags, wonach auf den auf die Privatwohnung entfallenden Kaufpreisanteil keine USt berechnet wurde, notariell beurkunden. Das FG gab der Klage daraufhin statt[1]. Die Revision hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

  1. Die Grundstückslieferung fiel zwar unter das GrEStG und war damit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Der Veräußerer hatte jedoch im Streitjahr 1988 wirksam auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes verzichtet. Nach § 9 UStG kann der Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt ist. Die Behandlung des Umsatzes als steuerpflichtig kann insbesondere dadurch erfolgen, dass der Steuerpflichtige dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der USt in Rechnung stellt oder in seiner Steueranmeldung als steuerpflichtig behandelt[2].

    Der hier im Kaufvertrag vom 29.12.1988 dokumentierte Verzicht des Veräußerers auf die Steuerfreiheit der Veräußerung der Wohnung wirkte zwar auf das Jahr des Grundstücksumsatzes (Streitjahr 1988) zurück; der Veräußerer schuldete jedoch in diesem Jahr die dem Erwerber in Rechnung gestellte USt nach § 14 Abs. 2 UStG. Hatte der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der USt in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne USt erteilt. Dies ist hier durch die Änderung des Kaufvertrags entweder 1989 oder 1999 geschehen. Berichtigt der Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, so ist § 17 Abs. 1 UStG gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG entsprechend anzuwenden. § 14 Abs. 2 UStG erfasst auch jene Fälle, in denen ein Unternehmer in einer Rechnung USt für steuerfreie Umsätze gesondert ausgewiesen hatte und den darin liegenden Verzicht auf die Steuerbefreiung nachträglich zurücknimmt[3]. Mit der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung wird der in der ursprünglichen Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag - rückwirkend - nicht mehr geschuldet. Der leistende Unternehmer schuldet die dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellte, aber nicht mehr geschuldete USt bis zur Rechnungsberichtigung nach § 14 Abs. 2 UStG. Da die Rechnung vom 29.12.1988 im Streitjahr 1988 noch nicht berichtigt worden war, schuldete der Veräußerer die noch ausgewiesene Steuer im Streitjahr nach § 14 Abs. 2 UStG.

  2. Der geschilderten Rechtslage steht nicht die Behandlung des Vorsteuerabzugs beim Erwerber entgegen. Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird der Umsatz rückwirkend wieder steuerfrei, so dass eine Steuer für den berechneten Umsatz nicht mehr geschuldet wird. Der Erwerber verliert den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung). Die rückwirkende Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger ist auch abgabenrechtlich möglich, und zwar über die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 1.2.2001 – V R 23/00

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