Arbeiter verschüttet

Die Beklagte war Leiterin eines städtischen Bauhofs. Sie teilte den ihr als Hilfsarbeiter zugewiesenen Versicherten dazu ein, einen Graben, den ein Baggerfahrer ausheben sollte, von Hand nachzuschachten. Dort war eine Sicherung gegen nachrutschendes Erdreich nicht vorhanden. Als der Versicherte über eine Leiter in den Graben gestiegen war und dort arbeitete, löste sich ein Erdbrocken, der ihn unter sich begrub, wobei er schwer verletzt wurde.

Regress­forderung

Wegen der entstandenen Kosten für die Rettung, ärztliche Behandlung etc. nahm die Berufsgenossenschaft die Beklagte in Anspruch. Diese habe es grob fahrlässig versäumt, für die gebotene Absicherung des Grabens gegen abrutschendes Erdreich zu sorgen.

Ansatzpunkt war § 110 Abs. 1 SGB VII. Danach haften Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII bei einem Arbeitsunfall beschränkt ist, den Sozialversicherungsträgern bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben.

Kriterien der groben Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Sie lässt sich aber nicht allein mit der Verletzung der geltenden Unfallverhütungsvorschriften begründen. Denn nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 110 SGB VII zu werten.

Umstände des Einzelfalls

Vielmehr ist auch dann, wenn solche Verstöße gegen Sorgfaltsgebote vorliegen, eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. So kommt es z. B. darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat.

Auch spielt eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Dann kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist.

Die im Streitfall einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten GUV-V C 22 regeln in § 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1 i. V. m. der DIN 4124 (Stand 10.02) die an die Standsicherheit von Gräben zu stellenden Anforderungen. Sie haben elementare Sicherungspflichten zum Inhalt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befassen.

Unfallver­hütungs­vorschriften

Der Beklagten konnte sich auch nicht damit entschuldigen, sie habe auf die Zuverlässigkeit des Baggerführers vertrauen dürfen. Konkrete Umstände oder Maßnahmen, die ein solches Vertrauen, dass der Baggerführer die Unfallverhütungsvorschriften beachten würde, begründen konnten, waren nicht festzustellen. Dafür reichte jedenfalls nicht aus, dass der Baggerführer allgemein als zuverlässig bekannt und schon länger bei der Stadt beschäftigt war.

Abstützung des Grabens

Von der Beklagten waren die Kenntnisse zu fordern, die für die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben notwendig waren. Hätte sich die Beklagte in der gebotenen Weise informiert, hätte sie gewusst, dass zur Abstützung des Grabens bei einer Tiefe von 1,80 m unter Umständen Baumaterial erforderlich sein würde, das dem Baggerführer zur Verfügung stehen musste.

Gefährdung vorbeugen

Schließlich konnte sich die Beklagte auch nicht damit entlasten, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht an der Baustelle anwesend war. Die Ausführung der Handschachtung war für die Beklagte absehbar. Als verantwortliche Bauleiterin musste sie danach die beim Ausschachten in Gräben mögliche Gefährdung erkennen und einer solchen rechtzeitig vorbeugen.

(BGH, Urteil v. 18.2.214, VI ZR 51/13)

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