Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen ist dann realisiert, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im Wesentlichen fertig gestellte Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein ehemaliger Gesellschafter einer bilanzierenden GbR, deren Gegenstand u.a. der Umbau eines Hotels in 34 Ferienwohnungen sowie deren Veräußerung war. Im April des Streitjahres 1995 wurde das Gebäude vom Bauamt abgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war ein Großteil der Ferienappartements verkauft. Die übrigen Wohnungen wurden während der folgenden Monate veräußert und anschließend vermietet. In den für jede Wohnung erstellten Protokollen wurden deren Übernahme und Bezugsfertigkeit bestätigt. Die Ortsbesichtigung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums fand im November 1995 statt. Den Abnahmeprotokollen ist nach den Feststellungen des FG eine Vielzahl von kleineren Mängeln an Außenhaut, Dach, Treppen und im Kellergeschoss zu entnehmen.

Schon im Juni 1995 wurde die GbR durch Austritt des Klägers mit der Vereinbarung einer Abfindungszahlung sowie der Freistellung von Gesellschaftsschulden aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt waren noch vier Wohnungen, am 31.10.1995 nur noch eine Wohnung nicht veräußert, da Nutzen und Lasten für diese Wohnung erst zum 1.12.1995 auf die neuen Eigentümer übergingen. Die GbR ging davon aus, dass der Gewinn aus der Veräußerung sämtlicher Ferienappartements erst nach der Auflösung der Gesellschaft realisiert worden sei. Entsprechend aktivierte sie in ihrer Schlussbilanz auf den 31.10.1995 "In Ausführung befindliche Bauaufträge" und passivierte die im Jahr 1995 erhaltenen Beträge als "Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen". Als laufenden Gewinn des Streitjahrs gab die GbR 80 681 DM an. Darüber hinaus erklärte sie für den Kläger einen Veräußerungsgewinn von 1 370 429 DM. Das Finanzamt ging indessen davon aus, der Gewinn aus dem Verkauf der Wohnungen sei im Zeitpunkt der Auflösung der GbR bereits realisiert gewesen. Es löste daher die von der GbR gebildeten Aktiv- und Passivposten auf und erhöhte den Gewinn des Streitjahres entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung. Nach den von der GbR gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuwendenden handelsrechtlichen GoB war der am Abschlussstichtag realisierte Gewinn auszuweisen. Die Gewinnrealisierung bei Werkverträgen setzt außer der Übergabe die Abnahme des Werks durch den Besteller voraus, um den Übergang der Preisgefahr herbeizuführen[1]. Bei Wohneigentum muss sich die Abnahme auf das Gemeinschafts- und auf das Sondereigentum erstrecken. Denn der Anteil des Gemeinschaftseigentums an einem Wohngebäude ist so erheblich, dass er nicht vernachlässigt werden kann[2].

Obwohl Sonder- und Gemeinschaftseigentum getrennt übergeben und abgenommen werden[3] und deshalb für Gewinne aus der Erstellung des Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentums unterschiedliche Realisierungszeitpunkte gelten können[4], hat der BFH eine solche Aufteilung unter Hinweis auf die regelmäßige einheitliche Ausweisung des Zahlungsanspruchs des Werkunternehmers und den Vereinfachungszweck des Buchungs- und Rechnungsverkehrs abgelehnt. Als gebotener einheitlicher Gewinnrealisierungszeitpunkt für beide Eigentumsarten ist grundsätzlich die Abnahme des Gemeinschaftseigentums maßgeblich. Das gebietet im Hinblick auf die Bedeutung des Gemeinschaftseigentums das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht. Auf dieser Grundlage kann allerdings auch eine stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch widerspruchslose Ingebrauchnahme der jeweiligen Wohnungen durch die einzelnen Erwerber angesehen werden, wenn das Gemeinschaftseigentum zumindest im Wesentlichen funktionstüchtig hergestellt ist, die Nutzung während einer Frist bestanden hat, die zur Prüfung der Vertragsgerechtigkeit der Leistung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Wohnungseigentumsgemeinschaft angemessen ist, und – was das FG im zweiten Rechtsgang aufzuklären hat – der Erwerber nicht schon beim Einzug Mängel gerügt hat, die ihn zur Abnahmeverweigerung berechtigen[5]. Als angemessene Prüfungszeit sieht der BFH drei Monate an. Danach sind die Entgelte für die in Gebrauch genommenen Wohnungen auch dann realisiert, wenn nicht alle, aber mindestens die Hälfte der anderen Wohnungen diese Voraussetzung erfüllen. Ausschlaggebend ist dafür, dass bei der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts für die Gewinnrealisierung das Bedürfnis nach Objektivierung beachtet werden muss. Es kann dem Veräußerer nicht überlassen sein, den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung dadurch hinauszuzögern, dass er eine von zahlreichen Wohnungen zunächst nicht veräußert.

 

Praxishinweis

Auch nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung stellt eine Ingebrauchnahme des Werks über mehrere...

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