Leitsatz

Zahlt die Familienkasse während des Klageverfahrens das begehrte Kindergeld aufgrund eines außergerichtlichen Eilverfahrens aus, beginnt die Frist für die Festsetzung von Prozesszinsen nicht mit Ablauf des Jahrs der Auszahlung (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO), sondern erst mit Ablauf des Jahrs, in dem der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht. Erlässt die Familienkasse im weiteren Verlauf des Verfahrens den beantragten Kindergeldbescheid, entsteht der Anspruch auf Prozesszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Rechtsstreit aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt (§ 236 Abs. 2 Nr. 1 AO).

 

Sachverhalt

Die Familienkasse lehnte den Antrag eines Vaters, ihm für seinen Sohn Kindergeld für die Monate Januar bis Mai 2002 zu gewähren, zunächst ab, entsprach dem Begehren aber durch Änderungsbescheid im Klageverfahren, was zur Erledigung des Rechtsstreits mit Kostenpflicht der Familienkasse führte. Den weiteren Antrag des Vaters, ihm vom 14.5.2002 (Tag der Klageerhebung) bis zum 23.12.2002 (Tag der vorläufigen Kindergeldzahlung im Wege der außergerichtlichen Aussetzung der Vollziehung) Prozesszinsen in Höhe von 26 EUR zu zahlen, lehnten Familienkasse und FG ab. Auf die Revision des Vaters gab der BFH der Klage statt.

 

Entscheidung

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch der Kindergeldanspruch gehört[1], werden verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz AO besteht danach ein Anspruch auf Prozesszinsen vom Tag der Rechtshängigkeit der Klage[2] bis zum Auszahlungstag, wenn das Kindergeld aufgrund rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung festgesetzt wird[3] bzw. wenn sich der Rechtsstreit durch Erlass des beantragten Bescheids erledigt[4]. Letztere Voraussetzung lag hier vor, weil die Familienkasse dem Kindergeldbegehren für die fünf geltend gemachten Monate in vollem Umfang entsprochen hatte.

Der Zinsanspruch war noch nicht verjährt. Die einjährige Festsetzungsfrist[5] begann nicht – wie das FG meinte – mit der Auszahlung des Kindergelds im Dezember 2002, sondern erst mit der Erledigung des Rechtsstreits durch Erlass der begehrten Kindergeldfestsetzung im Kalenderjahr 2005[6]. Ein Rechtsanspruch auf Prozesszinsen entsteht in diesen Fällen nur, wenn der erledigte Rechtsstreit ursächlich für die Herabsetzung der Steuer bzw. für die Gewährung des Kindergelds war. Dementsprechend muss für den Beginn der Festsetzungsfrist ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Rechtsanspruch i.S. von § 236 AO und der Auszahlung der Steuervergütung bestehen. Ist das Kindergeld – wie hier – aus anderen Gründen bereits früher ausbezahlt worden, hat das nur für die Dauer des Zinslaufs Bedeutung, nicht aber für den Beginn der Festsetzungsfrist. Dadurch ist sichergestellt, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Entstehung des Zinsanspruchs in Lauf gesetzt wird bzw. sogar ablaufen kann. Es widerspräche dem Sinn des § 236 AO, wenn einem berechtigten Zinsanspruch bei längerem Klageverfahren durch vorläufige Auszahlung des Kindergelds insgesamt die Grundlage entzogen werden könnte.

 

Praxishinweis

Ungeachtet des geringen Zinsbetrags zeigt der Streitfall, dass der letztlich obsiegende Kläger in Kindergeldsachen sich gegebenenfalls auch um die Prozesszinsen kümmern muss, vorausgesetzt, dass sie nicht unter der Geringfügigkeitsgrenze von 10 EUR nach § 239 Abs. 2 AO bleiben.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 25.1.2007, III R 85/06

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