Leitsatz

Betriebliche Verbindlichkeiten, welche beim Veräußerer aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote (für Jubiläumszuwendungen und für Beiträge an den Pensionssicherungsverein) in der Steuerbilanz nicht bilanziert worden sind, sind bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

 

Sachverhalt

Die D-GmbH übernahm zum 1.7.1994 den Betrieb einer Tochtergesellschaft, der DM-GmbH als Gesamtheit von Wirtschaftsgütern ("asset deal"). Mit Ausnahme der Patente, Lizenzen und Handelsmarken sowie des Firmenwerts wurden die Vermögensgegenstände und Schulden in der (handelsrechtlichen) Eröffnungsbilanz der D-GmbH auf den 1.7.1994 mit den Buchwerten gemäß der Bilanz der DM GmbH angesetzt. Der Firmenwert wurde nach Abzug der übernommenen Buchwerte und der bewerteten Vermögensgegenstände ermittelt und auf 15 Jahre abgeschrieben. Dabei wurden auch Jubiläumsrückstellungen und Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber dem Pensionssicherungsverein (PSVaG) von der D-GmbH übernommen und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob diese übernommenen Passiva unbeschadet steuerlicher Ausweisverbote in der Steuerbilanz zum 31.12.1994 anzusetzen sind.

Nach Auffassung des BFH findet der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen auch auf übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem – von der Handelsbilanz abweichenden – Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts. Für beide Aufwandspositionen ordnet das Gesetz von den handelsbilanziellen Ansätzen abweichende, spezifisch steuerbilanzielle Ansatzverbote an. Durch derartige Verbote sollen – lediglich – am Stichtag bereits vorhandene Verpflichtungen entgegen den Vorgaben des (handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) auf künftige Veranlagungszeiträume verlagert werden. Für den Fall, dass die Zuwendungsverpflichtung entgeltlich erworben wird, greifen die Verbote nicht. Denn dann ist die Verpflichtung realisiert. Sie ist deswegen vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen.

 

Hinweis

Somit kommt es – auch in der ersten Steuerbilanz nach einem "Asset-Deal" – nicht zu einem Anschaffungsgewinn, wenn der Erwerber Verpflichtungen übernimmt, für die ein (nur steuerliches) gesetzliches Passivierungsverbot besteht. Der vom BMF in seinem Schreiben v. 24.6.2011, BStBl 2011 I S. 627, ver­tretenen Auffassung, in der ersten Schlussbilanz greife wiederum das steuerliche Ausweisverbot, pflichtet der BFH nicht bei.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 14.12.2011, I R 72/10.

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