Leitsatz

Die nachträgliche Verlängerung eines Versicherungsvertrags um drei Jahre führt trotz gleich bleibender Beitragsleistung steuerrechtlich zu einem neuen Vertrag, wenn die Möglichkeit der Vertragsänderung im ursprünglichen Versicherungsvertrag nicht vorgesehen war und sich aufgrund der Vertragsänderung die Laufzeit des Vertrags, die Prämienzahlungsdauer, die insgesamt zu entrichtenden Versicherungsbeiträge und die Versicherungssumme ändern.

 

Sachverhalt

Für K wurde 1977 bzw. 1980 jeweils eine Direktversicherung bei der X-AG abgeschlossen. Die 1977 abgeschlossene Versicherung (Vertrag Nr. 1) hatte eine Laufzeit und Beitragszahlungsdauer von 16 Jahren, der Jahresbeitrag betrug 1200 DM. Bei der 1980 abgeschlossenen Versicherung (Vertrag Nr. 2) betrugen Laufzeit und Beitragszahlungsdauer 13 Jahre, der Jahresbeitrag belief sich ebenfalls auf 1200 DM. Vertragsänderungen waren jeweils nicht vorgesehen. Die Versicherungssummen waren spätestens zum 1.12.1993 fällig; längstens bis zu diesem Zeitpunkt waren auch die Beiträge zu entrichten. Auf Veranlassung des K wurden beide Verträge formlos um jeweils drei Jahre verlängert, weil er nicht im Dezember 1993 in den Ruhestand treten, sondern – auf Bestreben des Arbeitgebers – drei weitere Jahre berufstätig sein sollte. Die X-AG passte die Versicherungssummen wegen der zusätzlichen Beitragsleistungen an und führte die Verträge unter Nr. 3 und 4 fort. Neue Versicherungsscheine mit geänderten Lauf- und Beitragszahlungszeiten wurden nicht ausgestellt.

Die im November 1996 erteilten Steuerbescheinigungen der X-AG wiesen steuerpflichtige Zinsen aus Lebensversicherungen in Höhe von 8370 DM bzw. 6186 DM aus, die das Finanzamt bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erfasste. Mit der Begründung, es handele sich nicht um neue, sondern um fortgeführte Versicherungsverträge mit einer Laufzeit von 16 bzw. 19 Jahren, wendete sich K gegen die Steuerpflicht der Zinsen. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung bestätigt. Die Zinsen aus den Versicherungsverträgen Nr. 3 und 4 sind steuerpflichtig i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Nach Satz 1 der Vorschrift unterliegen Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, der Steuerpflicht. Nach Satz 2 gilt dies jedoch nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Lebensversicherungen des K erfüllen – jedenfalls nach den 1993 erfolgten Vertragsänderungen – nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Denn der Sonderausgabenabzug für Beiträge zu Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen mit Sparanteil setzt voraus, dass der Vertrag für die Dauer von mindestens 12 Jahren abgeschlossen ist. Daran scheitert es hier. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung[1] ist die Frage, ob ein Versicherungsvertrag seinem Inhalt und seinem wirtschaftlichen Gehalt nach unverändert geblieben ist, oder ob es sich um einen neuen Vertrag handelt, im Wesentlichen nach den prägenden Vertragsmerkmalen zu beantworten, d.h. nach Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer. Die 1993 erfolgten Änderungen der Versicherungsverträge haben steuerrechtlich zu neuen Verträgen geführt, und zwar unabhängig davon, ob es sich zivilrechtlich um Neuverträge oder um die bloße Verlängerung bestehender Verträge handelt. Denn deren Laufzeit von nur drei Jahren unterschreitet die erforderliche Mindestlaufzeit von 12 Jahren deutlich.

Im Ergebnis geht der BFH davon aus, dass sich die bestehenden Versicherungen aufgrund der nachträglichen Vertragsverlängerungen in ihrem wirtschaftlichen Gehalt und damit in den entscheidenden steuerlichen Vertragsmerkmalen derart stark verändert haben, dass die über die Ursprungsverträge hinausgehenden Vertragsmodifikationen als Neuverträge zu werten sind. Da die prägenden Merkmale Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer nachträglich verändert worden sind, ohne dass eine solche Änderung von Vornherein vertraglich vereinbart, oder dass einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden war, führt das zu einem Neuabschluss (Novation). Geändert haben sich nicht nur Laufzeit und Prämienzahlungsdauer, vielmehr hat sich die Laufzeitverlängerung auch auf die gesamte zu entrichtende Versicherungsprämie und damit auf die Höhe der Versicherungssumme ausgewirkt. Ein Verstoß gegen die Förderung der eigenverantwortlichen finanziellen Altersvorsorge liegt darin nicht. Denn die Steuerfreiheit der Zinsen aus Lebensversicherungen ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes allein an eine Mindestlaufzeit des Vertrags von 12 Jahren geknüpft.

 

Praxishinweis

Der BFH bleibt dabei, dass ein Versicherungsvertrag – abgesehen von...

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