Leitsatz

Ein Pflichtteilsanspruch ist erbschaftsteuerlich als Nachlassverbindlichkeit zu werten. Dies war strittig, wenn der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des zwischenzeitlich verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten wurde. Der BFH hat dazu entschieden, dass trotz des dadurch bedingten zivilrechtlichen Erlöschens des Anspruchs ein Abzug möglich bleibt.

 

Sachverhalt

Die Eheleute V und M hatten die Erbfolge in einem sog. Berliner Testament geregelt. Als der V in 2003 verstarb wurde die M damit Alleinerbin. Die Tochter T erlangte daraus einen Pflichtteilsanspruch, den die T aber erst in 2005 geltend gemacht hatte. Zuvor war aber bereits die M in 2004 verstorben und der Anspruch der T damit erloschen. Das Finanzamt hat deshalb für den Erbfall in 2003 Erbschaftsteuer festgesetzt, ohne dabei den Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Erst der BFH gibt der Steuerpflichtgen Recht und lässt einen Abzug des Pflichtteilsanspruchs zu. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG i.V.m. §§ 2303ff. BGB). Wird ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, wirkt dies zurück auf den Zeitpunkt des Todes und damit auf die Entstehung der Steuer.

Eine bereits festgesetzte Erbschaftsteuer kann AO-rechtlich geändert werden, denn die Geltendmachung des Anspruchs stellt ein rückwirkendes Ereignis dar (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Pflichtteilsverpflichtete verstirbt, bevor der Anspruch erfüllt worden ist. Die entsprechende Verbindlichkeit geht auf den Erben über, selbst wenn sich in dessen Person Anspruch und Belastung vereinigen. Abweichend vom Zivilrecht geht das Erbschaftsteuerrecht bei einer sog. Konfusion von keinem Erlöschen aus (§ 10 Abs. 3 ErbStG).

 

Hinweis

Für die Praxis ist zu beachten, dass eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vor Eintritt einer Verjährung entsprechend dokumentiert werden kann, da die Rechtsprechung ein "ernstliches Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs" gegenüber dem Erben fordert. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht dabei in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben (BFH, Urteil v. 19.7.2006, II R 1/05, BStBl 2006 II S. 718). Offen gelassen hat der BFH, wie zu entscheiden ist, wenn der Pflichtteilsanspruch bereits beim Tod des Verpflichteten oder bei der fiktiven Nachholung der Geltendmachung des Pflichtteils durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt verjährt war (vgl. dazu z.B. BFH, Beschluss v. 15.5.2009, II B 155/08, BFH/NV 2009 S. 1441; FG München, Urteil v. 24.7.2002, 4 K 1286/00, EFG 2002 S 1625; FG München, Beschluss v. 30.11.2006, 4 V 4323/06, EFG 2007 S. 369).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 19.2.2013, II R 47/11.

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