Leitsatz

  1. Wird im Fall einer sog. doppelten Untätigkeit im zeitlichen Zusammenhang mit einem Untätigkeitseinspruch beim Finanzamt eine Untätigkeitsklage bei Gericht erhoben und ergeht daraufhin zunächst ein Steuerbescheid und anschließend eine (abweisende) Einspruchsentscheidung, kann die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt werden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 3.8.2005, I R 74/02, BFH/NV 2006, S. 19).
  2. Die "Mobilisierung" von Körperschaftsteuerguthaben im Wege eines sog. Rücklagenmanagements und dessen modellmäßige Verwirklichung in Teilschritten zunächst durch kreditfinanzierten Erwerb eines sog. Vorzugsgeschäftsanteils (von bis zu 0,29 %) am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen zu einem über dem Nominalwert liegenden Kaufpreis und anschließender Beschlussfassung einer disquotalen, durch ein Mehrstimmrecht abgesicherten Vorabausschüttung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Der Anteilserwerb ist auch nicht in ein Darlehensverhältnis umzudeuten.
 

Sachverhalt

Eine GmbH erwarb an einer Vielzahl von Kapitalgesellschaften jeweils geringfügige Anteile zu einem erheblich über dem Nominalwert liegenden Preis. Dabei wurde vertraglich die alsbaldige Zahlung einer nur der GmbH zustehenden "Zwischendividende" abgesichert, die so bemessen war, dass die Summe aus ihr und der anrechenbaren Körperschaftsteuer 133 % des Kaufpreises für die Anteile betrug. Im Anschluss an die Ausschüttungen nahm die GmbH Teilwertabschreibungen auf die jeweiligen Beteiligungen vor; später wurden die Beteiligungen veräußert. Die GmbH erklärte die vereinnahmten Ausschüttungen als Beteiligungserträge und beantragte die Anrechnung von Körperschaftsteuer. Dagegen würdigte das Finanzamt die beschriebene Gestaltung als Darlehensgewährung an die einzelnen Beteiligungsgesellschaften, weshalb es bei der Besteuerung der GmbH von einem Verlust ausging, die Anrechnung von Körperschaftsteuer aber ablehnte.

 

Entscheidung

Die GmbH hat keine Darlehen gegeben, sondern Beteiligungen erworben. Ebenso hat sie nicht von den Altgesellschaftern der Beteiligungsgesellschaften Gewinnansprüche, sondern vielmehr erst nach dem Erwerb der Gesellschafterstellung Ausschüttungen erhalten. Das entspricht der vertraglichen Gestaltung, aus der alle Folgerungen korrekt gezogen wurden. Diese Gestaltung diente letztlich der "Mobilisierung" von Körperschaftsteuerguthaben der Beteiligungsgesellschaften; darauf abzielende Maßnahmen wie das "Schütt-aus-hol-zurück-" und "Leg-ein-hol-zurück-Verfahren" hat der BFH stets anerkannt. Genau so ist hier zu entscheiden.

 

Praxishinweis

Der Vorgang spielte im Jahr 2000. Damals mussten viele Kapitalgesellschaften befürchten, durch die Umrechnung von verwendbarem Eigenkapital in Körperschaftsteuerguthaben Nachteile zu erleiden. Eines der hiergegen gerichteten Modelle, das "Rücklagenmanagement", ist jetzt für die Besteuerung der Gesellschafter vom BFH abgesegnet worden. Ob der BFH für die Ebene der Beteiligungsgesellschaften genauso entscheiden oder eventuell einen Gestaltungsmissbrauch annehmen wird, bleibt abzuwarten.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.6.2006, I R 97/05

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