Leitsatz

Der Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. mit Abs. 4 Nr. 2 UStG 1993 (Mindestbemessungsgrundlage) steht nicht entgegen, dass eine ordnungsgemäß durchgeführte Lieferung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer abgerechnet wird.

 

Sachverhalt

Eine KG veräußerte 1995 (Streitjahr) steuerpflichtig ein Grundstück, auf dem sie zuvor ein Geschäftsgebäude errichtet hatte, an eine GbR. Deren Gesellschafter waren zugleich die Gesellschafter der alleinigen Kommanditistin der KG. Als Kaufpreisanteil für das Gebäude, wurden die um einen der KG gewährten Investitionszuschuss verminderten Herstellungskosten angesetzt.

Das Finanzamt setzte dagegen die Umsatzsteuer 1995 unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG anhand der nicht um den Investitionszuschuss gekürzten Herstellungskosten des Gebäudes fest. Die KG erteilte daraufhin der GbR am 21.4.2000 eine berichtigte Rechnung, in der sie bei dem auf das Gebäude entfallenden Kaufpreisanteil die ungekürzten Herstellungskosten ansetzte und Umsatzsteuer in entsprechender Höhe gesondert auswies.

Die Klage hatte Erfolg, weil das FG die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. mit Abs. 4 Nr. 2 UStG 1993 als gemeinschaftsrechtswidrig ansah, da es sich um eine ordnungsgemäß durchgeführte Lieferung zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern handle und deshalb keine Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehe.

 

Entscheidung

Die Revision des Finanzamts führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klageabweisung.

Entgegen dem FG ist die Vorschrift über die Mindestbemessungsgrundlage auch bei Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer nicht anwendbar. Nach der Ermächtigung für die Sondermaßnahme i. S. des Art. 27 der 6. EG-Richtlinie darf sie nur angewandt werden, soweit es zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen unbedingt erforderlich ist (EuGH-Rechtsprechung). Die Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen besteht grundsätzlich bei Rechtsgeschäften zwischen "nahestehenden Personen", und zwar auch bei Leistungen an Personen, die den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG 1993 vollumfänglich in Anspruch nehmen können.

Nach dem Urteil ergibt sich diese Gefahr aus einer nach § 15a UStG ggf. vorzunehmenden Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einer späteren Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. Wäre § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG hier nicht anwendbar, würden Berichtigungen nach § 15a UStG beim Leistungsempfänger auf der Grundlage eines Vorsteuerbetrags vorgenommen, der auf einem verbilligten Entgelt beruht. Hieraus ergibt sich die Gefahr von Steuerumgehungen. Diese Gefahr besteht nicht, wenn nahestehende Personen für die zwischen ihnen erbrachte Leistung ein marktübliches Entgelt vereinbaren. Hier ist die Mindestbemessungsgrundlage nicht anwendbar.

Nach dem Urteil kam es für die Revisionsentscheidung nicht mehr darauf an, ob das für das Gebäude vereinbarte Entgelt marktüblich war. Nach Ansicht des BFH ergab sich die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung für 1995 im Streitfall bereits daraus, dass aufgrund der berichtigten Rechnung vom 21.4.2000 eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG eingriff, die schon für 1995 – und nicht erst mit der Rechnungsausstellung 2000 – wirke, d. h. nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1993 im Zeitpunkt der Leistung. Die Ausstellung der Rechnung sei ein rückwirkendes Ereignis.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 24.1.2008, V R 39/06.

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