Erwerb einer ETW im Zwangsversteigerungsverfahren: Kürzung des Meistgebots um Instandhaltungsrücklage

Der BFH hat am 2.3.2016 in 3 Urteilen entschieden, dass beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege des Zwangsversteigerungsverfahrens das Meistgebot nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage zu mindern ist.

Zugrunde lag allen Verfahren im Kern folgender Sachverhalt: Der Erwerber erhielt im Zwangsversteigerungsverfahren den Zuschlag für eine Eigentumswohnung (Sondereigentum und Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum). Gleichzeitig ging auf den Erwerber die anteilige Instandhaltungsrücklage über. Das Finanzamt setzte ausgehend vom jeweiligen Meistgebot als Bemessungsgrundlage die Grunderwerbsteuer fest.

Die damit befassten Finanzgerichte entschieden hierüber unterschiedlich: Während das Sächsische Finanzgericht (Sächsisches FG, Urteile v. 2.4.2014, 2 K 1663/13, EFG 2014 S. 1701, und v. 25.6.2014, 6 K 193/12, DStR 2015 S. 1103) die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigte, hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg das Meistgebot um die anteilige Instandhaltungsrücklage gemindert und aus der niedrigeren Bemessungsgrundlage die Grunderwerbsteuer festgesetzt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26.2.2015, 15 K 4320/10, EFG 2015 S. 948). Diese Entscheidung hat das FG Berlin-Brandenburg mit den Grundsätzen des § 2 GrEStG begründet. Vom Grunderwerbsteuergesetz werde alles erfasst, was den dortigen Grundstücksbegriff erfüllt. Nicht dazu gehören beispielsweise Zubehör und Betriebsvorrichtungen. Umfasse das Meistgebot derartige Gegenstände, so sei die Gegenleistung aufzuteilen auf das Grundstück und auf die Gegenstände, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Da die Instandhaltungsrücklage nicht den Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG erfülle, kann ihr Erwerb nicht besteuert werden. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beim Kauf einer Eigentumswohnung (BFH, Urteil v. 9.10.1991, II R 20/89, BStBl 1992 II S. 152). Nichts anderes könne nach Auffassung des Finanzgerichts beim Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren gelten.

Meistgebot ist Bemessungsgrundlage

Dieser Auffassung hat der BFH mit seinen Urteilen vom 2.3.2016 aus folgenden Gründen eine Absage erteilt:

Aufteilung nur eingeschränkt möglich

Beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage anzusetzen, § 1 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Die Gegenleistung "Meistgebot" umfasst auch die Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Sofern sich das Meistgebot auf Gegenstände bezieht, die nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen und für die das Gericht eine gesonderte Zwangsversteigerung nach § 65 ZVG anordnen könnte, ist eine Aufteilung des Meistgebots entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung geboten.

Die Instandhaltungsrücklage ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft und als solches nicht Teil des Vermögens des von der Zwangsversteigerung betroffenen Wohnungseigentümers. Sie bleibt damit auch beim Wechsel des Wohnungseigentümers Eigentum der Gesamtheit der Wohnungseigentümer. Sie geht mithin beim Erwerb des Eigentums durch Zuschlag – anders als beispielsweise das Zubehör – nicht kraft Gesetzes auf den Ersteher über. Auch ist eine Vollstreckung in die Instandhaltungsrücklage nur aus einem gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichteten Titel möglich; ein Titel gegen den einzelnen Wohnungseigentümer reicht nicht aus.

Instandhaltungsrücklage ist Verwaltungsvermögen = Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft

Der Ersteher wird zwar kraft Gesetzes mit dem Zuschlag Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese Mitgliedschaft kann für sich allein genommen jedoch nicht Gegenstand einer gesonderten Zwangsversteigerung sein.

Meistgebot umfasst nicht Instandhaltungsrücklage, damit keine Kürzung

Da die Instandhaltungsrücklage nicht von der Zwangsversteigerung der Wohnung umfasst ist, kann sich das Meistgebot auch nicht darauf beziehen. Damit ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht um die Instandhaltungsrücklage zu mindern. Es unterliegt grundsätzlich in voller Höhe der Grunderwerbsteuer.

Anderer Fall: Erwerb einer ETW durch Kaufvertrag – Kürzung der Bemessungsgrundlage um Instandhaltungsrücklage

Durch diese Urteile ist eine Diskrepanz zur Rechtsprechung des BFH in den Fällen entstanden, in denen durch notariellen Kaufvertrag eine Eigentumswohnung einschließlich der anteiligen Instandhaltungsrücklage erworben wird. Hier vertritt nämlich der BFH in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Kaufpreis anteilig auf die Instandhaltungsrücklage entfällt. Diese unterliegt nach § 2 GrEStG nicht der Grunderwerbsteuer, d. h. mit dem Kaufpreis wird nicht nur ein Grundstück erworben, sondern auch das in der Instandhaltungsrücklage angesammelte Guthaben, um das der Kaufpreis zur Ermittlung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu mindern ...

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