Leitsatz

Erhält ein Steuerpflichtiger wegen der Körperverletzung durch einen Dritten auf Grund von mehreren gesonderten und unterschiedliche Zeiträume betreffenden Vereinbarungen mit dessen Versicherung Entschädigungen als Ersatz für entgangene und entgehende Einnahmen, so steht der Zufluss der Entschädigungen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen der tarifbegünstigten Besteuerung jeder dieser Entschädigungen nicht entgegen.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist auf Grund eines unverschuldeten Unfalls während seines Wehrdienstes im Jahr 1977 querschnittsgelähmt. Die Versicherung des Unfallverursachers sagte nach langwierigen Verhandlungen am 16.1.1995 zunächst die Zahlung einer Abfindung von 100000 DM zu, wobei der Verdienstausfall und die vermehrten Bedürfnisse ab 1.1.1995 ausdrücklich vorbehalten blieben. Am 18.11.1995 verpflichtete sich die Versicherung zur Zahlung einer Abfindung von 225000 DM; dabei blieben der Verdienstausfall und die vermehrten Bedürfnisse ab 1.1.1998 vorbehalten. Am 24.9.1998 verpflichtete sich die Versicherung schließlich zu einer Zahlung von 1,3 Mio. DM. Die Abfindungen flossen jeweils 1995 bzw. 1998 zu und enthielten in Höhe von 260000 DM (1995) bzw. 850000 DM (1998) Ersatz für entgehende Einnahmen. Das Finanzamt besteuerte die im Streitjahr 1998 ausbezahlte Abfindung mit dem normalen Einkommensteuertarif, da es an einem zusammengeballten Zufluss der Gesamtentschädigung fehlte. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass (auch) die im Jahr 1998 zugeflossene Abfindung, soweit sie Ersatz für entgehende Einnahmen darstellt, als Entschädigung nach § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern ist. Die ständige Rechtsprechung, wonach Entschädigungen nur dann begünstigt sind, wenn sie zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen, steht dem nicht entgegen, weil hier keine einheitliche Gesamtentschädigung angenommen werden kann. Vielmehr handelt es sich um drei selbständig zu beurteilende Entschädigungen, von denen jede einzelne zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen ist. Die Besonderheit liegt darin, dass zivilrechtlich drei gesondert zu beurteilende Vergleiche mit jeweils entsprechender Abfindungserklärung geschlossen worden sind. Jeder Vergleich betraf hinsichtlich der entgehenden Einnahmen einen klar abgegrenzten Zeitraum. Den Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung sieht der BFH nicht verletzt. Dem Kläger sind Einnahmen entgangen, die er im Laufe seines gesamten künftigen Arbeitslebens hätte erzielen können. Auch ein Arbeitnehmer kann aber im Laufe seines Berufslebens mehrmals eine tarifbegünstigte Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhalten.

 

Praxishinweis

Entschädigungen wegen Körperverletzungen, die von einer Versicherung gezahlt werden, sind nur insoweit steuerbar, als sie einen Verdienstausfall wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ersetzen sollen. Nur insoweit liegt ein Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vor. Für Beträge, die als Ersatz für Arzt- und Heilungskosten sowie als Schmerzensgeld gewährt werden, besteht keine Steuerpflicht.

Aus dem Vergleich des BFH mit einem Arbeitnehmer, der mehrfach seinen Arbeitsplatz verlieren und dafür mehrmals (steuerbegünstigt) entschädigt werden kann, geht hervor, dass die Annahme mehrerer selbständiger Entschädigungen bei nur einem Schadensereignis auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Nur wenn der Verdienstausfall für ein gesamtes künftiges Arbeitsleben ersetzt werden soll, passt nämlich der Vergleich. Sollte ein Arbeitgeber auf die Idee kommen, eine Entlassungsentschädigung in mehrere Entschädigungen für getrennte Zeiträume aufzuteilen und in verschiedenen Jahren auszuzahlen, wird der BFH dem Arbeitnehmer mit Sicherheit die Steuerbegünstigung versagen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 21.1.2004, XI R 40/02

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