Leitsatz

  1. Eine Beratungstätigkeit, die sich auf alle Fragen des Marketing und damit auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaft erstreckt, kann mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) vergleichbar sein. Beinhaltet die Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen aber nicht nur diese Beratung, sondern auch Tätigkeiten, die isoliert betrachtet als gewerblich anzusehen wären, muss die Beratung den Schwerpunkt der gesamten Tätigkeiten bilden, um insgesamt als freiberufliche Tätigkeit zu gelten.
  2. Ein Autodidakt hat dabei außerdem Kenntnisse nachzuweisen, die dem Niveau eines "Staatlich geprüften Betriebswirts" an einer Fachschule entsprechen. Genügen diese Kenntnisse in nur einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre nicht den Anforderungen, die in einer entsprechenden Abschlussprüfung verlangt werden, so ist dies unschädlich, wenn der Steuerpflichtige mit seinen Kenntnissen in den anderen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre insgesamt eine entsprechende Abschlussprüfung bestehen würde.
 

Sachverhalt

Der gegen Gewerbesteuermessbescheide erhobenen Klage des Beraters für umweltrelevante Fragen (mit Ausbildung zum Industriekaufmann und langjähriger geschäftsleitender Tätigkeit in großen Unternehmen), mit der er geltend machte, er sei als beratender Betriebswirt im Bereich des Umwelt-Marketings und somit freiberuflich tätig, gab das FG statt.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH bedarf es im Streitfall weiterer Feststellungen des FG zu der Frage, ob die von dem Berater ausgeübte Tätigkeit den betroffenen betriebswirtschaftlichen Bereich des Marketing umfassend abdeckt, also nicht nur die Absatzförderung, sondern auch die aktive Gestaltung von Märkten (Produktion von Nachfrage) betrifft, und dieser Teil der Tätigkeit gegebenenfalls den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet. Andernfalls führt der gewerbliche Teil der Tätigkeit – wie hier die Aktivität zu dem durch Umsatzinteressen der Auftraggeber geprägten Schwerpunktthema ("Wie kann der durch gestiegenes Umweltbewusstsein und die Einführung von Verpackungssteuern bedingte Umsatzrückgang bei Einweggeschirr und -besteck gestoppt werden?") – zur Annahme einer insgesamt gewerblichen Tätigkeit[1]. Abgesehen von der Tätigkeit setzt die Annahme einer betriebswirtähnlichen Berufsausübung voraus, dass der Steuerpflichtige, selbst wenn er keine akademische Ausbildung absolviert hat, eine vergleichbar tiefe und breite Vorbildung durch Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung nachweist.

 

Praxishinweis

Eine Wissensprüfung kommt – allerdings nur auf Antrag des Steuerpflichtigen – durch einen gegebenenfalls vom Gericht beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen der erforderlichen Kenntnisse aus den Akten oder dem Vortrag der Beteiligten erkennbar sind[2].

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.09.2002, IV R 74/00

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