Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft,

 

Sachverhalt

Eine nach Feststellungen des FG "staatlich anerkannte Altenpflegerin" war in den Streitjahren 1994 bis 1999 für ein Altenheim, das als vollstationäre Pflegeeinrichtung gemäß § 72 SGB XI zugelassen war, tätig. Berufsrechtliche Regelungen gab es für die Streitjahre noch nicht. Das Finanzamt veranlagte die Pflegerin zur USt. Im Einspruchsverfahren beantragte die Pflegerin die Aussetzung der Vollziehung der USt-Bescheide. Das FG gab dem Antrag mit Rücksicht auf die BVerfG-Rechtsprechung[1] statt. Dagegen wandte sich das Finanzamt mit der Beschwerde an den BFH, mit der es u. a. auf die Verwaltungsauffassung[2] zur Entscheidung des BVerfG verwies. Schließlich sei fraglich, ob auch solche Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei seien, die nicht unmittelbar, sondern über einen Leistungsvermittler von einem Sozialversicherungsträger finanziert würden.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Aussetzung der Vollziehung. Er hielt es allerdings nach dem bisher festgestellten Sachverhalt für ernstlich zweifelhaft, ob die Pflegerin als selbständige Unternehmerin i. S. des § 2 UStG oder als nichtselbständige Arbeitnehmerin für das Altenheim tätig war. Sie war offenbar nur in einem – von ihrer Mutter betriebenen – Altenheim tätig und rechnete ihre Aufträge unmittelbar mit diesem ab.

War die Altenpflegerin selbständige Unternehmerin, ist zweifelhaft, ob ihre Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG oder in unmittelbarer Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. RL steuerfrei sind. Beide Regelungen setzen gemeinsamvoraus:

  • Es muss sich umärztliche oder arztähnliche bzw. heilberufliche Leistungen handeln.
  • Diese müssen von Personen erbracht werden, die entsprechende berufliche Befähigungsnachweise erbringen.

Im Streitfall ist zumeinen zweifelhaft, ob und inwieweit die Altenpflegerin arztähnliche oder heilberufliche Leistungen erbracht hat. Laut EuGH[3] erfasst die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. RL auch Leistungen der Behandlungspflege durch qualifiziertes Krankenpflegepersonal, nicht aber Leistungen der Grundpflege. Dies muss hier erst geprüft werden.

Zweifelhaft ist auch, welche Anforderungen an den für die Steuerbefreiung notwendigen Befähigungsnachweis zu stellen sind bzw. ob im Streitfall die "staatlich anerkannte Altenpflegerin" bereits vor In-Kraft-Treten des Altenpflegegesetzes vom 17.11.2000[4] die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise erbringen konnte. Das BVerfG[5] maß der Voraussetzung keine entscheidende Bedeutung bei. Der BFH entschied daraufhin zu Leistungen eines Heileurythmisten, diese seien als heilberufliche Tätigkeit jedenfalls dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn sie ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern für den Patienten bezahlt würden[6]. Er stützte damit die Verwaltungsauffassung[7], wonach Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 14 UStG die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen ist.

Nach der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH ist dies aber kein ausreichendes Indiz dafür, dass auch eine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des EStG vorliegt[8]. Dazu war für die richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG seit der neueren EuGH- und BVerfG-Rechtsprechung noch nicht zu entscheiden.

Nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2001[9] kommt in Betracht, dass Altenpfleger auch bereits vor In-Kraft-Treten des o.g. Gesetzes steuerfreie heilberufliche Leistungen erbracht haben[10]. Im Übrigen erscheint fraglich, ob die Beurteilung als "staatlich anerkannte Altenpflegerin" für den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis ausreicht. Dies dürfte zwar dem zitierten Schreiben des BMF widersprechen, erscheint aber gleichwohl ungewiss.

 

Praxishinweis

Die Umsatzsteuerbefreiung für heilberufliche Tätigkeit, die § 4 Nr. 14 UStG"im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" und damit als "freiberufliche Tätigkeit" definiert, bedarf einer Anpassung an Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. RL. Diese Bestimmung stellt zwar auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe ab; das Merkmal "freiberuflich" lässt sich dem m. E. aber schwerlich entnehmen. Im Übrigen kommt man aufgrund des zu erfüllenden Gemeinschaftsrechts umden "Befähigungsnachweis" – regelmäßig aufgrund einer Berufsordnung – nicht herum. Die wiedergegebene Rechtsprechung des BVerfG ist daher mit Vorsicht zu verwenden. Die Rechtsentwicklung für die Umsatzsteuerbefreiung durch BFH – und gegebe...

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