Leitsatz

Der Veräußerungserlös aus Down-Rating-Anleihen ist nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c 2. Alternative, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach Maßgabe der Marktrendite steuerbar.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb vom 4.1. bis zum 3.12.2002 über die Börse verzinsliche Schuldverschreibungen eines amerikanischen Unternehmens im Nennwert von 72000 EUR zu Anschaffungskursen zwischen 98,7 % und 99,1 %. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 71772 EUR. Am 5.12.2003 veräußerte sie die Anleihen zum Kurs von 106,45 % und erzielte einen Veräußerungserlös von 76644 EUR. Ursprünglich wurden die Schuldverschreibungen mit 6 % verzinst. Die Emissionsbedingungen sahen vor, dass sich der Zinssatz erhöht, sollte der Emittent von zwei Rating-Agenturen herabgestuft werden. Da diese Bedingung eintrat, lag der Zinssatz im Veräußerungszeitpunkt bei 6,75 %. In der Erträgnisaufstellung der Bank für das Streitjahr 2003 wurde der Kapitalertrag von 4872 EUR unter Kapitalertragsteuerabzug als "Verkaufsertrag auf-/abgezinster Wertpapiere einschließlich Ersatzbemessungsgrundlage bei Finanzinnovationen" erfasst. Die Klägerin erklärte diesen Betrag zunächst als Einnahme aus festverzinslichen Wertpapieren, machte aber später geltend, hierbei handle es sich um einen Veräußerungsgewinn, der nach Ablauf der Spekulationsfrist entstanden und steuerfrei sei. Das FG gab der Klage statt. Die dagegen erhobene Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Die Schuldverschreibungen fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG, da ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt und gewährt worden ist, auch wenn dessen Höhe von einem ungewissen Ereignis abhing. Der Veräußerungserlös ist aber kein steuerbarer Kapitalertrag. Zwar weisen die Schuldverschreibungen keine von vornherein endgültig bezifferbare Emissionsrendite[1] auf, denn im Streitfall hing es von der künftigen Beurteilung des Emittenten durch zwei Rating-Agenturen als ungewissem Ereignis ab, ob und in welcher Höhe die Klägerin Kapitalerträge erzielen würde. Das Entgelt für die Kapitalüberlassung und ein etwaiger Vermögenszuwachs sind rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar. Da der Veräußerungserlös eindeutig der Vermögensebene angehört, ist er nicht im Rahmen der Marktrendite steuerbar, denn § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist teleologisch zu reduzieren und in verfassungskonformer Weise einschränkend auszulegen.

Mit der Marktrendite wird von der im EStG angelegten Systematik der Besteuerung von Kapitalerträgen abgewichen, nach der § 20 EStG nur das Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Fremdnutzung erfassen soll, nicht aber Wertveränderungen der Kapitalanlage. Die Anwendung der Marktrendite ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und -verwertung bzw. Ertrags- und Vermögenssphäre auf systematische bzw. strukturelle Grenzen stößt. Davon ist auszugehen, soweit Wertpapiere nach der Art der Gestaltung und den zu Grunde liegenden Rahmendaten gerade eine Verbindung von Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals anstreben. In derartigen Fällen kann die an sich systematisch gebotene Abschöpfung nur des Kapitalnutzungsentgelts nicht gewährleistet werden, weil dieses nicht im traditionellen Sinne von der Wertentwicklung abgrenzbar ist.

Bei den hier zu beurteilenden Schuldverschreibungen ist das indes nicht der Fall, denn diese zeichnen sich gerade nicht durch eine Einbindung von Kursgewinnen in das Entgelt für die Kapitalüberlassung aus. Vielmehr ist eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene problemlos möglich. Erträge aus einer Wertsteigerung des hingegebenen Kapitals, die sich eindeutig von einem im Einzelfall im Rahmen einer Finanzinnovation vereinbarten Nutzungsentgelt unterscheiden lassen, sind nicht nach der Marktrendite zu besteuern.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG greift wegen Überschreitens der Jahresfrist nicht ein.

 

Praxishinweis

Das Urteil knüpft konsequent an die Rechtsprechung des VIII. Senats an[2]. Dieser hat deutlich gemacht, dass er an der Differenzierung zwischen Ertrags- und Vermögenssphäre grundsätzlich festhält und die Besteuerung von Finanzinnovationen unter Ansatz der Marktrendite als sachlich gerechtfertigte Anpassung des Systems des § 20 EStG an neue wirtschaftliche Gestaltungen erachtet, mit der sich der Gesetzgeber noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bewegt. Das gilt aber nur für Kapitalanlagen, bei denen keine hinreichend klare Abgrenzung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich ist. Dem gemäß hat der BFH § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im Wege teleologischer Reduktion bzw. verfassungskonformer Auslegung tatbestandlich dahin eingegrenzt, dass die Regelung nicht auf Wertpapiere anzuwenden ist, bei denen die Ertrags- und die Vermögensebene nicht vermischt wird und zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn differenziert werden kann. Kapitalanlagen, die – wie Down-Rating-Anl...

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