1 Leitsatz

Die gesetzliche Neuregelung in § 67c GenG rechtfertigt es nicht, auf eine vor ihrem Inkrafttreten vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft entgegen der bisherigen Rechtsprechung das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum entsprechend anzuwenden.

2 Sachverhalt

Die Klägerin war Treuhänderin eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Mitglieds (Schuldner) einer Wohnungsgenossenschaft. Das Mitglied bewohnte mit seiner Ehefrau aufgrund eines Nutzungsvertrags eine Wohnung der eG. Das Mitglied hielt Geschäftsanteile der Genossenschaft im Gesamtbetrag von 1.440 EUR, von denen er Anteile i. H. v. 500 EUR an seinen Vater abgetreten hatte. Die Satzung schrieb vor, dass Geschäftsanteile in diesem Umfang übernommen werden mussten, um den Nutzungsvertrag abschließen zu können. Eine von der Klägerin mit dem Mitglied nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbarte Auslösung der Geschäftsanteile scheiterte, weil das Mitglied die ihm nachgelassene Ratenzahlung nicht einhielt. Daraufhin kündigte die Klägerin am 14.6.2012 die Mitgliedschaft des Schuldners bei der Wohnungsgenossenschaft und forderte diese zur Auszahlung der Genossenschaftsanteile auf. Die eG widersprach jedoch der Kündigung.

Die auf Zahlung von 940 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage der Treuhänderin hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) verfolgte die Treuhänderin ihr Begehren weiter.

3 Entscheidung

Die zulässige Revision beim BGH war im Hinblick auf die Forderung der Treuhänderin nach Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erfolgreich. Lediglich wegen eines Teils der Zinsforderung wurde die Klage abgewiesen.

Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass es die Ansicht der Vorinstanz (LG Berlin) nicht teilt. Das LG Berlin hatte die Klage der Treuhänderin mit der Begründung abgewiesen, dass nach dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung (InsO) dem Insolvenzverwalter zwar die Kündigung des Mietvertrags über die Wohnung des Schuldners, nicht aber die Kündigung seines Geschäftsanteils an einer Wohnungsgenossenschaft untersagt sei. Dabei handle es sich aber um eine unbeabsichtigte Regelungslücke, wie die gesetzliche Neuregelung in dem am 19.7.2013 in Kraft getretenen, auf den Streitfall noch nicht anwendbaren § 67c GenG zeige. Entgegen der vom BGH in seinem Urteil vom 19.3.2009[1] vertretenen Ansicht sei das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Fall der Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft entsprechend anzuwenden, weil die Sachverhalte wegen der gleichen Interessenlage vergleichbar seien, soweit die Mitgliedschaft in der Genossenschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung sei und bei einer Kündigung der Mitgliedschaft der Verlust der Wohnung drohe.

Der BGH hat dagegen in seiner Urteilsbegründung seine gegenüber dem LG Berlin abweichende Ansicht damit begründet, dass er im genannten Urteil vom 19.3.2009 eine entsprechende Anwendung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft mit eingehender Begründung abgelehnt und damit die bis dahin bestehende Streitfrage entschieden habe.

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass eine andere rechtliche Beurteilung insbesondere nicht wegen des Umstands geboten sei, dass der Gesetzgeber inzwischen durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 in das Genossenschaftsgesetz eine neue Norm eingefügt hat (§ 67c GenG). Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Gläubiger oder den Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen.[2]

§ 67c GenG ist nach der Entscheidung des BGH auf den hier zu entscheidenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil erst am 19.7.2013, mithin mehr als ein Jahr nach der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung, in Kraft getreten sei.

Die Änderung des Genossenschaftsgesetzes rechtfertigt es nach Meinung des Bundesgerichtshofs aber auch nicht, die bisherige Rechtsprechung zur Frage einer analogen Anwendung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO aufzugeben. In diesem Zusammenhang hat das Gericht insbesondere darauf hingewiesen, dass die Begründung des Regierungsentwurfs zur neuen Vorschrift des § 67c GenG festgestellt habe, dass nach bisheriger Rechtslage der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Schuldners dessen Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen könne. Der BGH habe "klargestellt", dass das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO in diesen Fällen nicht greife und auch eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht komme. Diese Rechtslage sei unbefriedigend. Entgegen einem früheren Vorschlag des Bundesrats solle aber nicht das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Mitgliedschaft in einer Wohn...

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