Leitsatz

Aufwendungen einer nicht verheirateten, empfängnisunfähigen Frau für künstliche Befruchtungen können auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden, wenn die Frau in einer festen Partnerschaft lebt (Weiterentwicklung der Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 18.6.1997, III R 84/96, BStBl II 1997, S. 805 = INF 1998, S. 90).

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige lebt seit 1997 in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Wegen eines Eileiterverschlusses konnte sie auf natürlichem Wege keine Kinder empfangen. Nach Zustimmung der Ethikkommission der Ärztekammer begann sie 1999 eine Sterilitätsbehandlung durch In-vitro-Fertilisation. Die gesetzliche Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten ab. Die Steuerpflichtige machte vergeblich eine außergewöhnliche Belastung geltend.

 

Entscheidung

Der BFH verneint ebenfalls die Zwangsläufigkeit. Begrifflich wird zwischen homologer und heterologer Fertilisation unterschieden. Homolog bedeutet, dass die Befruchtung bei einem Ehepaar mit Eizellen und Samen des Ehepaars durchgeführt wird. Unter die heterologe Fertilisation fallen alle anderen Formen: Befruchtung einer fremden Eizelle mit dem Samen des Ehemanns, Befruchtungen bei nicht verheirateten Paaren, bei gleichgeschlechtlichen Paaren bzw. bei einer nicht verheirateten Frau. Zum Teil werden auch künstliche Befruchtungen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Eizellen und Samen des Paars wegen der Identität von sozialen und genetischen Eltern ebenfalls als homolog oder als "quasi homolog" bezeichnet.

Der BFH sieht die In-vitro-Fertilisation nicht als unmittelbare Heilbehandlung an, deren Kosten typisierend als zwangsläufig anzusehen sind. Bislang[1] wurden lediglich die Kosten für eine homologe künstliche Befruchtung anerkannt. Der BFH verwies dazu auf verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und in der Gesellschaft vorherrschende Auffassungen, aus denen sich in einer Ehe die Zwangsläufigkeit ergibt. Die Frage der heterologen Methode wurde ausdrücklich offen gelassen. Für den jetzt entschiedenen Fall einer empfängnisunfähigen unverheirateten Frau lehnt der BFH die Zwangsläufigkeit ab, und zwar auch dann, wenn die Partner in einer festen Beziehung leben und die Ethikkommission die künstliche Befruchtung genehmigt hat.

Für die unterschiedliche Behandlung verheirateter und unverheirateter Paare bezieht sich der BFH auf die entsprechende Unterscheidung im Sozialversicherungs- und Beihilferecht, wonach ebenfalls nur die Kosten für homologe Maßnahmen unterstützt werden. Außerdem verweist er auf das Sorgerechtsurteil des BVerfG[2]. Danach finden nichteheliche Kinder insgesamt ungünstigere Lebensbedingungen vor als eheliche. Obwohl eine Ehe keine Garantie für ein intaktes Elternhaus darstellt und umgekehrt eine nichteheliche Lebensgemeinschaft einer Ehe gleichwertige Bedingungen bieten kann, ist für die Frage der steuerlichen Abziehbarkeit auch zu berücksichtigen, dass nach vorherrschender Auffassung in der Gesellschaft das Wohl des Kindes typischerweise in einer Ehe eher gewährleistet ist als in einer festen Partnerschaft.

 

Praxishinweis

Da nicht nur die Ursachen, sondern auch die Folgen einer Maßnahme zu berücksichtigen sind, stellt der BFH entscheidend darauf ab, dass Kinder typischerweise am besten in einer Ehe aufwachsen. Eheliche und nichteheliche Kinder sind im Verhältnis zu ihren Eltern auch rechtlich nicht gleichgestellt. Jedenfalls solange es nach dem verfassungsrechtlichen Leitbild und den gesellschaftlichen Vorstellungen zu den Zielen einer Ehe gehört, gemeinsame Kinder aufzuziehen, befindet sich eine unverheiratete Frau mit Kinderwunsch nicht in einer vergleichbaren Zwangslage wie eine verheiratete Frau.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.7.2005, III R 30/03

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