Leitsatz

  1. Aufwendungen von Eltern für die Strafverteidigung ihres volljährigen Kindes erwachsen regelmäßig nur dann aus sittlichen Gründen zwangsläufig und können als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen sein, wenn es sich um ein innerlich noch nicht gefestigtes, erst heranwachsendes Kind handelt, dessen Verfehlung strafrechtlich noch nach dem Jugendstrafrecht geahndet werden kann (Klarstellung zum BFH-Urteil vom 23.5.1990, III R 145/85, BStBl II 1990, S. 895).
  2. Ob Aufwendungen der Eltern für die Wahlverteidigung eines volljährigen Kindes in anderen Fällen als aus sittlichen Gründen zwangsläufig anzuerkennen sind, kann im Übrigen nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.
 

Sachverhalt

Der zur Tatzeit 28-jährige Sohn der Steuerpflichtigen bezog als Umschüler bei einem Berufsförderungszentrum ein monatliches Übergangsgeld von 2800 DM und lebte in einer von ihm gemieteten Wohnung. Wegen eines Tötungsdelikts wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Für das Strafverfahren wurde ihm von Amts wegen ein Pflichtverteidiger bestellt. Daneben bestellte ihm die Steuerpflichtige einen Wahlverteidiger. Die ihr dafür entstandenen Kosten machte sie vergeblich als außergewöhnliche Belastung geltend.

 

Entscheidung

Der BFH lehnt sowohl aus rechtlichen Gründen als auch aus sittlichen Gründen die Zwangsläufigkeit ab.

  1. Inwieweit die Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern auch die Kosten einer Strafverteidigung umfasst, ist im Einzelnen umstritten. Der BFH geht davon aus, dass eine solche Verpflichtung bürgerlich-rechtlich jedenfalls dann nicht besteht, wenn das volljährige Kind bereits eine selbständige Lebensstellung erreicht hat. Das war hier der Fall, da der Sohn über eine eigene Wohnung und über ein ausreichendes eigenes Einkommen verfügte. Während des Strafverfahrens wurde er zwar möglicherweise wieder bedürftig. Bei erneuter Bedürftigkeit lebt der Anspruch aber nur auf, wenn die Bedürftigkeit nicht durch sittliches Verschulden eingetreten ist. Dann beschränkt sich die Unterhaltspflicht auf einen der Billigkeit entsprechenden Betrag und entfällt ganz, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. Da der Sohn mit dem Tötungsdelikt eine schwere sittliche Verfehlung begangen hat, entfiel im Streitfall eine rechtliche Verpflichtung der Steuerpflichtigen.
  2. Der BFH lehnt auch eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen ab. Klarstellend zum Urteil vom 23.5.1990[1] formuliert der BFH den Grundsatz, dass eine sittliche Verpflichtung der Eltern, ihre volljährigen Kinder beim Verdacht einer Straftat nicht im Stich zu lassen, nur bei innerlich nicht gefestigten Heranwachsenden im Alter von 18 bis 21 Jahren besteht. Anders ist es bei einem – wie im Streitfall – über 21-jährigen, innerlich gefestigten Kind in eigener Lebensstellung. Hier erwartet die Allgemeinheit nicht, dass die Eltern die Strafverteidigungskosten für das Kind übernehmen.
 

Praxishinweis

Der BFH betont, dass in jedem Fall die Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Allgemeine Grundsätze lassen sich hier kaum aufstellen, vor allem wenn man an Fälle denkt, in denen es nicht lediglich um das Strafmaß geht, sondern in denen während des Strafverfahrens noch völlig unklar ist, ob der Angeklagte der Täter ist. Häufig wird aber, wenn von Amts wegen ein Pflichtverteidiger bestellt ist, keine Notwendigkeit bestehen, zusätzlich einen Wahlverteidiger zu bestellen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.10.2003, III R 23/02

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