Leitsatz (amtlich)

Ist eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH im Klageverfahren durch einen vor der Löschung bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten vertreten, kann das FG in der Sache entscheiden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, hat beim FG Klage erhoben. Sie ist aufgrund einer schriftlich erteilten Vollmacht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten. Nach Klageerhebung wurde die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen nach § 2 LöschG im Handelsregister gelöscht. Der Aufforderung des FG, einen Nachtragsliquidator für die Klägerin zu bestellen, kam der Prozessbevollmächtigte nicht nach. Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Eine wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 Abs. 1 LöschG von Amts wegen gelöschte GmbH gilt als aufgelöst, eine Liquidation findet nicht statt. Die Löschung führt aber analog § 273 Abs. 4 AktG nicht zur Vollbeendigung der GmbH, wenn diese noch an Abwicklungsmaßnahmen teilzunehmen hat. Auch steuerrechtlich wird eine gelöschte GmbH als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide oder Haftungsbescheide angreift. Ihre Beteiligungsfähigkeit wird durch die Löschung nicht berührt[1]. Stellt sich nach der Löschung heraus, dass noch verteilbares Vermögen vorhanden ist, lebt die Gesellschaft fort und es findet eine Liquidation statt. Die Liquidatoren sind dann auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen[2].

Allerdings hat die Löschung einer GmbH gemäß § 2 Abs. 2 LöschG zur Folge, dass ihr bisheriger gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) seine Vertretungsbefugnis[3] verliert. Daher wird das gerichtliche Verfahren gemäß § 155 FGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO bis zur Bestellung eines Liquidators unterbrochen. Diese Unterbrechung des Verfahrens tritt gemäß § 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO hingegen nicht ein, wenn die Gesellschaft durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Im Streitfall wird die Klägerin seit Beginn des Klageverfahrens durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Die diesem erteilte Prozessvollmacht dauert über den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin und des Verlustes der gesetzlichen Vertretungsmacht ihres Geschäftsführers fort[4]. Eine Unterbrechung des Verfahrens ist deshalb gemäß § 246 Abs. 1 ZPO nicht eingetreten. Das Klageverfahren war fortzusetzen. Es ist von der Fortsetzung der bestehenden Prozesslage auszugehen, wonach das Verfahren durch Prozess- oder Sachurteil beendet werden kann. Für diese Ansicht spricht vor allem die Regelung des § 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO, wonach der Wegfall der gesetzlichen Vertretung einer Partei nicht zur Aufhebung der zuvor erteilten Bevollmächtigung eines Prozessvertreters zur (Fort-)Führung eines Rechtsstreits führt. Da die GmbH nach wie vor beteiligtenfähig ist, kommt ihr die Fähigkeit zu, Subjekt eines (fortgeführten) finanzgerichtlichen Prozessrechtsverhältnisses zu sein.

Diese verfahrensrechtliche Beurteilung durch den Senat entspricht der anderer obersten Gerichtshöfe des Bundes[5].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 27.4.2000 - I R 65/98

[2] Vgl. § 2 Abs. 3 LöschG
[5] Vgl. z.B. BGH-Urteil vom 8.2.1993, II ZR 62/92, BGHZ 121, S. 263

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