Leitsatz

Verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft zur Gewährung von Aktienoptionen und sonstigen Vorteilen, handelt sie in Erfüllung dieser Verpflichtung nicht als bloße Leistungsmittlerin.

 

Sachverhalt

Ein zu einem amerikanischen Konzern gehörendes ausländisches Unternehmen mit Betriebsstätte im Inland beschäftigte im Konzern angestellte und ins Inland entsandte Arbeitnehmer. Diesen räumte die Muttergesellschaft Aktienoptionen ein und gewährte Zuschüsse zu einem der betrieblichen Altersversorgung dienenden Vermögensbildungsplan, bei dem die Arbeitnehmer bis zu 10 % ihres Jahresgrundgehalts Zulagen begünstigt sparen konnten, wobei der Zuschuss der Muttergesellschaft 60 % der monatlichen Einzahlungen betrug. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung war das Finanzamt der Auffassung, die bei Ausübung der Aktienoptionen zufließenden geldwerten Vorteile und die gewährten Vermögensbildungszuschüsse seien zu Unrecht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden. Deswegen erging ein Haftungsbescheid auf Schätzungsgrundlage, mit dem 448000 DM für 1989 bzw. 159000 DM für 1990 nachgefordert wurden. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Der BFH wies die Revision ab.

 

Entscheidung

Selbst wenn die Klägerin als aufnehmendes Unternehmen Arbeitgeber der entsandten Arbeitnehmer war, haftet sie nicht, weil keine Lohnsteuerabzugsverpflichtung bestanden hat. Die streitigen Zuwendungen waren keine Lohnzahlung der Klägerin, was vorausgesetzt hätte, dass der leistende Dritte lediglich als Leistungsmittler, also als Kasse des Arbeitgebers, fungiert hätte. Das war nicht der Fall, weil die Muttergesellschaft eine eigene rechtliche Verpflichtung erfüllt hat, die Leistungen also nur ihr zuzurechnen waren. Bei Lohnzahlungen Dritter besteht eine Abzugspflicht nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. nur, wenn sie "üblicherweise" für eine Arbeitsleistung gezahlt werden. Die hier zu beurteilenden Zuwendungen gehören nicht zu den "üblicherweise" gezahlten Löhnen, und die Klägerin war in die Vorteilsgewährung auch weder eingeschaltet, noch ist sie über die Vorteile unterrichtet worden.

 

Praxishinweis

Auch wenn der BFH dies offengelassen hat, dürften die Vorteile dem Grunde nach Arbeitslohn gewesen sein, denn andere Zwecke als zusätzliche Entgelte für geleistete Arbeit sind nicht ersichtlich. Schwieriger zu beurteilen ist, ob die Klägerin rechtstechnisch auch Arbeitgeberin der entsandten Arbeitnehmer war. Auch wenn die Arbeitsverträge mit den entsendenden Konzernunternehmen formal weiterliefen, dürfte die Klägerin Arbeitgeberin gewesen sein, wenn die Arbeitnehmer für sie arbeiteten und sie konzernintern für die laufenden Löhne aufkam[1]. Die nicht näher begründete Ansicht, dass die streitigen Zahlungen keine "üblicherweise" gezahlten Löhne waren, dürfte ihre Berechtigung darin finden, dass damit nur solche Entgelte Dritter gemeint waren, die mit einer bestimmten Beschäftigung – wie beispielsweise Trinkgelder – typischerweise verbunden sind. Danach würden alle aufgrund besonderer Vereinbarungen bzw. nur von Fall zu Fall oder nur bestimmten Arbeitnehmern gewährten Sonderzahlungen nicht zu den "üblicherweise" gezahlten Leistungen i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. gehört haben.

Seit 2004 besteht eine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug bei Lohnzahlungen Dritter, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass sie erbracht wurden. Bei verbundenen Unternehmen i.S. von § 15 AktG wird Kennenkönnen unterstellt, obwohl eine konkrete Kenntnis insbesondere zum Zuflusszeitpunkt und zur Höhe der Zuwendung regelmäßig nicht gegeben ist und auch keine zivilrechtliche Handhabe besteht, sie vom Dritten sich zu verschaffen. Allerdings muss der Arbeitnehmer am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums die von einem Dritten gewährten Bezüge mitteilen[2]. Unterbleibt der Lohnsteuerabzug, weil er seiner diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachkommt, liegt eine Steuerverkürzung i.S. von § 370 AO vor. Zweifelhaft bleibt aber, ob der Arbeitgeber haftet, wenn er mangels Mitteilung des Arbeitnehmers von der Lohnzahlung des Dritten nichts erfährt. Macht der Arbeitnehmer erkennbar zu Unrecht keine oder unrichtige Angaben, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsstätten-Finanzamt anzuzeigen. Diese Verpflichtung könnte auch bestehen, wenn der Arbeitgeber weiß, dass – wie im Streitfall die Zuschüsse zum Vermögensbildungsplan – laufend Lohnzahlungen eines Dritten erfolgen, er aber deren konkrete Höhe nicht kennt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/03

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