Leitsatz

Kursgewinne aus der Veräußerung von Reverse Floatern sind nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtig. Die Vorschrift ist im Wege teleologischer Reduktion bzw. verfassungskonformer Auslegung tatbestandlich dahin einzugrenzen, dass sie auf solche Wertpapiere keine Anwendung findet, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Besteuerung von Kursgewinnen aus Reverse Floatern. E hatte am 18.2.1993 und am 27.6.1996 Inhaber-Teilschuldverschreibungen der EIB von nominal 30000 DM bzw. 90000 DM zu Kursen von 100,4 % bzw. 104 % mit einer Laufzeit bis zum 9.2.2003 erworben. Der Erstausgabekurs betrug 100 %, die Rückzahlung sollte zum Nennwert erfolgen. Vom 10.2.1993 bis zum 9.2.1994 wurden die Anleihen mit 9 % p.a. verzinst, danach variabel mit 13 % abzüglich des "Sechs-Monats-DM-LIBOR", höchstens aber abzüglich 13 %. Ferner erwarb E im Oktober 1993 Inhaber-Teilschuldverschreibungen der L mit einem Nennwert von 40000 DM zum Kurs von 103,25 % und einer Laufzeit bis zum 18.3.2003. Die Rückzahlung sollte zum Nennwert erfolgen. Die Verzinsung betrug in den ersten zwei Jahren der Laufzeit 7,5 % p.a., danach 12,5 % abzüglich des "LIBOR-Satzes", höchstens aber abzüglich 12,5%. Im August 1997 veräußerte E die Anleihen und erzielte Kursgewinne von insgesamt 17440 DM, die das Finanzamt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c bzw. d EStG besteuerte. Einspruch und Klage blieben erfolglos, die Revision dagegen nicht.

 

Entscheidung

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt oder bei denen Erträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Floater erfüllen diesen Tatbestand insoweit, als die Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängen, nämlich der Höhe des Referenzzinssatzes im Zeitpunkt der jeweiligen Zinssatzanpassung, so dass Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden. Das gilt ebenso für Reverse Floater, bei denen die Zinsanpassung nicht unmittelbar an einen Referenzzinssatz geknüpft ist, sondern durch Abzug des Referenzzinssatzes von einem festen Nominalzins erfolgt. Somit haben Reverse Floater keine Emissionsrendite. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 wäre daher als Kapitalertrag der Kursgewinn von 17440 DM zu erfassen.

Mit Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG wäre das jedoch nicht vereinbar. Das gilt für die Fassung der Norm vor und nach der Neuregelung durch das StÄndG 2001. Für die ursprünglich im Streitjahr 1997 geltende Fassung hat der BFH[1] bereits klargestellt, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG, wonach Einnahmen aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, soweit sie der "rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite" entsprechen, so zu verstehen ist, dass Papiere ohne eine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite – und damit auch Reverse Floater – nicht unter diesen Tatbestand fallen. Das gilt gleichermaßen nach der Neufassung der Vorschrift und der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37b EStG, die bestimmt, dass die Neufassung für Wertpapiere ohne Emissionsrendite für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden ist, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Die Ermittlung des Kapitalertrags nach der Marktrendite[2] durchbricht das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, das vom Grundsatz der Unterscheidung zwischen Kapitalvermögen und -erträgen beherrscht wird. Wertveränderungen der Kapitalanlage wirken sich auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG grundsätzlich nicht aus.

Die Erfassung von Wertveränderungen beinhaltet daher eine Systemabweichung, die der Gesetzgeber eindeutig festzulegen und sachlich zu rechtfertigen hat. Auch wenn die Maßgeblichkeit der Marktrendite eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche Sachverhalte darstellt, die der grundsätzlichen Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und -verwertung Rechnung trägt[3], kann diese Regelung auf Wertveränderungen bei Reverse Floatern nicht angewendet werden. Denn mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG[4] wollte der Gesetzgeber nicht jegliche Wertveränderungen im Vermögensstamm erfassen, sondern nur Kapitalanlagen, die an sich steuerpflichtige Zinserträge in steuerfreie Wertzuwächse umqualifizieren. Er wollte sicherstellen, dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung er...

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