Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung, Angestellten im Krankheitsfalle das Gehalt für eine bestimmte Zeit weiter zu zahlen, ist weder als Verbindlichkeit aufgrund eines Erfüllungsrückstandes auszuweisen noch führt sie zu einem drohenden Verlust aus dem schwebenden Arbeitsverhältnis (Fortführung der Rechtsprechung).

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, beschäftigte im Streitjahr 1990 neben zwei Geschäftsführern 14 Angestellte. In ihrer Bilanz zum 31.12.1990 bildete sie eine Rückstellung für fortgesetzte Gehaltszahlungen im Krankheitsfall. Dem folgte das Finanzamt nicht. Klage[1] und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Im Streitfall ist ein schwebendes Geschäft zu beurteilen. Dazu gehören auch Dauerschuldverhältnisse (hier: Arbeitsverhältnisse). Berücksichtigungsfähig sind hier lediglich Verpflichtungen, die auf korrespondierenden Vorleistungen eines Vertragspartners beruhen (sog. Erfüllungsrückstände); andererseits sind drohende Verluste auszuweisen.

  1. Es ist keine Verbindlichkeit aufgrund eines Erfüllungsrückstands zu passivieren. Eine solche Verbindlichkeit setzt eine Verpflichtung voraus, die sich als vom Vertragspartner durch dessen erbrachte Vorleistung erdiente und am Bilanzstichtag somit rückständige Gegenleistung darstellt. Dies trifft im Streitfall nicht zu. Die Gehaltsfortzahlung wird nicht durch vorherige Arbeitsleistungen erdient, sondern findet ihre Grundlage in gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Bestimmungen. Sie ist - unabhängig von einer eventuellen Eintrittsbedingung einer kurzen Betriebszugehörigkeit - nicht von Vorleistungen des Arbeitnehmers abhängig. Der Arbeitnehmer hat vor dem Bilanzstichtag nicht für künftige Krankheitstage vorgeleistet.
  2. Es kann auch keine Rückstellung für drohende Verluste gebildet werden. Bei Arbeitsverhältnissen droht ein Verlust, soweit der Wert der nach dem Stichtag vom jeweiligen Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung hinter dem Wert der Verpflichtung des Arbeitgebers zurückbleibt, künftig Lohn- oder Gehaltszahlungen zu leisten. Der Wert der Verpflichtung des Arbeitgebers ist bestimmbar. Dies gilt aber nicht gleichermaßen für den Wert der zu beanspruchenden Leistung des Arbeitnehmers. Zwar entzieht sich die menschliche Arbeitsleistung nicht jeglicher Bewertung. Eine absolute Bewertung von Arbeitsleistungen ist hingegen nicht möglich. Denn ein Arbeitsverhältnis stellt keine Miete von Diensten, sondern ein personenrechtliches Schuldverhältnis dar. Es fehlt an der rechtlichen Möglichkeit, dem Anspruch des Arbeitgebers auf die Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers einen geringeren Wert als dem vereinbarten Lohn oder Gehalt samt Nebenleistungen beizulegen. Arbeitsverhältnisse gelten deshalb grundsätzlich als ausgeglichen[2]. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihre Bedingungen als üblich anzusehen sind; hierfür spricht insbesondere die Übereinstimmung mit einem Tarifvertrag[3].

Auch im Streitfall ist von der Vermutung der Ausgeglichenheit auszugehen. Sie wird durch die Tatsache, dass die Krankheitszeiten älterer Arbeitnehmer überproportional zunehmen, und einen entsprechenden gutachtlich-statistischen Nachweis nicht widerlegt. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass die mit zunehmenden Krankheitstagen verbundenen Mehrbelastungen für den Arbeitgeber durch andere in der Persönlichkeit gereifterer und erfahrenerer Arbeitnehmer liegende Umstände ausgeglichen und sogar überkompensiert werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 27.6.2001 – I R 11/00

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen