Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung zur Entsorgung eigenen Abfalls nach dem AbfG begründet nicht rückstellbaren eigenbetrieblichen Aufwand.

 

Sachverhalt

Die Klägerin stellt Lacke und Lackfarben für industrielle Verarbeiter her. In ihrer Bilanz zum 31.12.1989 wies sie eine Rückstellung für rückständige Entsorgung von Wachs, Sondermüll, nicht zu verarbeitenden Rohstoffen und Fertigwaren aus. Die Klägerin hatte die Abfallbeseitigung einer Drittfirma D übertragen und von ihr Abfallbehälter gemietet. Einen konkreten Auftrag zum Abtransport hatte sie am maßgebenden Bilanzstichtag noch nicht erteilt. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an. Eine Verpflichtung zur Entsorgung sei nicht hinreichend konkretisiert gewesen, es handle sich um eine Aufwandsrückstellung. Klage[1] und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann -, ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag und dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss[2]. Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben, können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist[3]. Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen[4]. Diese Voraussetzungen werden im Regelfall bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Grundsätzlich kann auch eine Verpflichtung, die sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, zur Bildung einer Rückstellung führen. Dies setzt allerdings einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus[5]. Zudem ist nach der Rechtsprechung für die Rückstellung aufgrund einer sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich "der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann"[6].

Diese Rechtsprechung setzt für das Bestehen einer Verbindlichkeit den Anspruch eines Dritten voraus. Im Streitfall fehlt es an einer derartigen Verpflichtung. Zum Bilanzstichtag 31.12.1989 lag weder eine Verfügung der zuständigen Behörde noch eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Behörde vor, die die Klägerin verpflichtete, den erzeugten Abfall innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu entsorgen. Auch die Bestimmungen des hier einschlägigen AbfG vom 27.8.1986[7] enthalten keinen konkreten Gesetzesbefehl zur Entsorgung der Abfälle. Mangels Verpflichtung handelt es sich um eine Aufwandsrückstellung gemäß § 249 Abs. 2 HGB. Ihre Bildung unterliegt in der Handelsbilanz einem Passivierungswahlrecht. Dies führt zu einem Passivierungsverbot in der Steuerbilanz[8].

Eine gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB rückstellungsfähige Verpflichtung kann sich im Streitfall auch nicht aus einer Beauftragung des D ergeben. Eine solche ist nicht erfolgt. Im Übrigen würde es sich bei einem entsprechenden Auftragsverhältnis, da es beiderseits noch nicht erfüllt wäre, um ein schwebendes Geschäft handeln, das den einseitigen Ausweis einer Verbindlichkeit nicht zuließe.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 8.11.2000 – I R 6/96

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