Leitsatz (amtlich)

Überlässt der Grundstücksverkäufer im Wege einer Vorleistung dem Käufer bereits vor der Zahlung des Kaufpreises die Nutzungen des Grundstücks, so stellt die vorzeitige Nutzungsüberlassung eine selbständige (Neben-)Leistung des Verkäufers dar, die weder in seiner kaufvertraglichen Verpflichtung zur Übertragung von Besitz und Nutzungen aufgeht noch mit ihr identisch ist. Das für die Nutzungsüberlassung gesondert vereinbarte Entgelt gehört nicht zur Gegenleistung i.S. der §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983.

 

Sachverhalt

Durch notariellen Vertrag vom August 1991 wurde der Klägerin an einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Gesamtfläche ein Erbbaurecht bis zum 30.6.2090 gegen ein nach Eintragung des Erbbaurechts zu zahlendes Entgelt von 18,5 Mio. DM ("Einmalentschädigung") bestellt. Die Übergabe des im Eigentum einer GmbH stehenden Grundstücks sollte zum 1.8.1991 als erfolgt gelten. Die Klägerin war verpflichtet, vom Zeitpunkt der Übergabe bis zur Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch (April 1992) eine Vergütung von 7,5% p.a. von 18,5 Mio. DM zu zahlen; diese "Nutzungsentschädigung" betrug rd. 979 000 DM. Die GmbH hatte ihrerseits durch Grundstückskaufvertrag vom selben Tag von der Klägerin eines der Grundstücke, eine 645 qm große Teilfläche, für 1750 000 DM erworben. Hierbei wurde u.a. vereinbart, dass der Kaufpreisanspruch der Klägerin mit der "Einmalentschädigung" der GmbH aus dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag verrechnet werden sollte. Das Finanzamt beurteilte den Erbbaurechtsbestellungs- und den Grundstückskaufvertrag als zwei selbständige Erwerbsvorgänge und setzte sowohl wegen der Erbbaurechtsbestellung durch Bescheid vom Oktober 1991 nach einer Gegenleistung von 18,5 Mio. DM als auch wegen des Grundstückskaufs durch weiteren Bescheid vom Oktober 1991 nach einer Gegenleistung von 1750000 DM GrESt fest. Mit Änderungsbescheid vom Dezember 1995 erhöhte das Finanzamt die Steuer auf 389 656 DM. Hierbei erfasste es als Gegenleistung 18,5 Mio. DM zuzüglich der "Nutzungsentschädigung".

Das FG wies die Klage ab, mit der die Klägerin unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 eine Herabsetzung der Steuer um 35 000 DM begehrte, weil die Bestellung des Erbbaurechts als Rückerwerb i.S. dieser Vorschrift zu werten sei[1]. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

  1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf entgeltliche Bestellung eines Erbbaurechts der GrESt. Der Ansicht der Klägerin, sie habe einen Anspruch auf Bestellung des Erbbaurechts hinsichtlich des zuvor an die B-GmbH veräußerten Grundstücks nicht mehr erwerben können, weil der Kaufvertrag so ausgelegt werden müsse, dass Gegenstand der Übereignungsverpflichtung das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin verkennt, dass sie sich nicht selbst ein Erbbaurecht bestellt und sodann ein belastetes Grundstück veräußert hat. Gegenstand des Kaufvertrags war das unbelastete Grundstück. Das Erbbaurecht bestellt hat erst die B-GmbH. Nur dieser, tatsächlich verwirklichte Sachverhalt kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, nicht dagegen eine rechtlich mögliche andere Gestaltung. In rechtlicher Hinsicht hat die von den Vertragsparteien gewählte Gestaltung zur Folge, dass zwei Erwerbsvorgänge vorliegen, die sich auf unterschiedliche Gegenstände beziehen.
  2. Die Bestellung eines Erbbaurechts stellt grunderwerbsteuerrechtlich einen im Verhältnis zum Erwerb des Eigentums am Grundstück selbständigen Grundstücksumsatz dar. Das Erbbaurecht ist danach nicht ein bloßer Ausschnitt des Grundstückseigentums, sondern ein eigener Steuergegenstand. Daraus folgt zugleich, dass es sich bei der Bestellung eines Erbbaurechts seitens des Erwerbers eines Grundstücks zugunsten des Veräußerers nicht um einen steuerfreien Rückerwerb i.S. von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 handelt.
  3. Das FG hat indessen die "Nutzungsentschädigung" zu Unrecht als Teil der Gegenleistung[2] für die Bestellung des Erbbaurechts behandelt. Die Vereinbarung über die Zahlung der Vergütung für die Grundstücksnutzung in der Zeit bis zur Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch stellt eine vertragliche Regelung der gesetzlich in § 452 BGB vorgeschriebenen Kaufpreisverzinsung dar. Dieser von der Klägerin für die (vorzeitige) Überlassung der Nutzungen zu zahlende Zins ist nicht Teil der von ihr geschuldeten Vergütung für die Bestellung des Erbbaurechts. Denn als "Kaufpreis" i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 kann nur der Geldbetrag angesehen werden, den der Erwerber für den Erwerb des Grundstücks (Erbbaurechts) an den Verkäufer (Eigentümer) zu zahlen hat. Dies ist im Streitfall die vereinbarte "Einmalvergütung" von 18,5 Mio. DM.
  4. Die übernommene Zahlungsverpflichtung stellt auch keine "sonstige Leistung" der Klägerin i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 dar. Denn diese Zahlung wurde von der Klägerin nicht als Entgelt für den Erwerb des Erbbaurechts erbracht, sondern für die ...

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