Leitsatz

  1. Dem nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO auf Haftungsbescheide sinngemäß anzuwendenden § 171 Abs. 10 AO kann nicht entnommen werden, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid gehemmt ist, soweit und solange in offener Festsetzungsfrist der Steuerbescheid hinsichtlich der Steuer, für die gehaftet wird, noch zulässig ergehen kann.
  2. Steuer- und Haftungsbescheid stehen nicht in dem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid zueinander.
 

Sachverhalt

Der Kläger wird als Geschäftsführer einer GmbH wegen zu Unrecht erstatteter Umsatzsteuer 1989 in Haftung genommen. Der Haftungsbescheid ist erst 1999 ergangen. Entgegen der im Mai 1992 von der GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Erklärung hatte das Finanzamt im März 1993 einen Steuerbescheid erlassen, mit dem die Steuerbefreiung für Ausfuhrsendungen versagt und die vergütete Vorsteuer zurückgefordert wurde. Die dagegen erhobene Klage wurde erst 2002 rechtskräftig abgewiesen.

 

Entscheidung

Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, nachdem die Steuer, für die gehaftet wird, bereits 1993 festgesetzt worden ist. Daran könnte nur eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO etwas ändern. Diese Vorschrift ist nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO im Haftungsverfahren sinngemäß anzuwenden, wenn die Steuer festgesetzt wurde. Der Steuerbescheid ist aber kein Grundlagenbescheid für den Haftungsbescheid und die sinngemäße Anwendung des § 171 Abs. 10 AO bedeutet nicht, dass ein Haftungsbescheid ungeachtet des Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist solange geändert werden könnte, wie der Bescheid über die Steuer, für die gehaftet werden soll, noch ergehen könnte. Die sinngemäße Anwendung bedeutet nur, dass ein Haftungsbescheid noch binnen zwei Jahren nach Bekanntgabe des entsprechenden Steuerbescheids erlassen werden kann.

 

Praxishinweis

Der Ablauf der Festsetzungsfrist für eine Folgesteuer ist gehemmt, soweit und solange in offener Festsetzungsfrist ein Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann[1]. Der Finanzbehörde soll damit eine ausreichende Frist zur Verfügung gestellt werden, um Feststellungen, die in einem Grundlagenbescheid getroffen wurden, durch den Erlass von – nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gebotenen – Folgebescheiden umzusetzen. Eine vergleichbare unmittelbare Abhängigkeit eines Haftungsbescheids von dem Steuerbescheid besteht unbeschadet dessen sog. Akzessorität nicht. Diese ist in vielfältiger Weise eingeschränkt: Insbesondere setzt die Haftungsinanspruchnahme grundsätzlich keine Steuerfestsetzung voraus und ist auch dem Umfang nach nicht von einer etwa erfolgten Steuerfestsetzung abhängig.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 5.10.2004, VII R 7/04

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