Leitsatz

Soweit der II. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 22.5.2002 (II R 61/99, BStBl II 2002, S. 598 = INF 2002, S. 573) § 19 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des JStG 1997 i.V.m. weiteren Vorschriften des ErbStG und BewG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig hält, kommt eine Aussetzung der Vollziehung der auf diesen Vorschriften beruhenden Steuerbescheide nicht in Betracht.

 

Sachverhalt

Die Erblasserin hatte 1999 eine Eigentumswohnung gekauft. In dem Vertrag wurde die Auflassung erklärt und eine Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt. Die Erblasserin verstarb nach Eintragung der Auflassungsvormerkung, jedoch vor der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch. Das Finanzamt nahm in Bezug auf die Eigentumswohnung einen Sachleistungsanspruch an, den es mit dem Kaufpreis (gemeinen Wert) bewertete. Die Alleinerbin beantragte den Ansatz des niedrigeren Grundbesitzwerts (Steuerwerts) sowie Aussetzung der Vollziehung.

 

Entscheidung

1

Bewertungsrechtlich ist es für die Anwendung des Steuerwerts (Grundbesitzwerts) allein maßgebend, ob Grundstücks- oder Wohnungseigentum, d.h. das Vollrecht erworben wird. Gegenstand des Erwerbs war nicht das Wohnungseigentum, da die Eigentumsumschreibung noch ausstand, sondern der noch nicht (vollständig) erfüllte Anspruch auf Eigentumsverschaffung gegen den Verkäufer.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht in den Fällen, in denen (wie im Streitfall) der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes aufgrund Auflassung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung bzw. eines schon gestellten Eintragungsantrags ein Anwartschaftsrecht zugestanden hat. Denn das Anwartschaftsrecht ist zivilrechtlich mit dem Vollrecht nicht identisch, es verschafft dem Erwerber in Bezug auf das Wohnungseigentum nur eine gesicherte Rechtsposition.

2 Aussetzung der Vollziehung kam im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH[1] nicht in Betracht. Denn im vorläufigen Rechtsschutzverfahren darf keine weitergehende Entscheidung getroffen werden, als vom BVerfG zu erwarten ist. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG erscheint nahezu ausgeschlossen, dass auf die Vorlage das ErbStG mit Wirkung für das Jahr 1999 (Streitjahr) für nichtig oder unanwendbar erklärt wird. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass das BVerfG lediglich dessen Unvereinbarkeit mit der Verfassung ausspricht.
 

Praxishinweis

Der Vorlagebeschluss des BFH zur Erbschaftsteuer blockiert weder die Festsetzung noch die Erhebung der Steuer. Die Finanzverwaltung[2] erlässt Bescheide seit dem 6.12.2001 nur noch vorläufig. Über Rechtsmittel gegen diese Bescheide können die Finanzgerichte ohne Einschränkung entscheiden. Denn die Folgen einer für den Steuerpflichtigen günstigen Entscheidung des BVerfG können auch zukünftig noch gezogen werden. Die nach dem geltenden Gesetz entstandene Steuer muss allerdings trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel entrichtet werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 17.07.2003, II B 20/03

[2] Vgl. Gleichlautende Ländererlasse vom 6.12.2001, BStBl I 2001, S. 985

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