Leitsatz (amtlich)

§ 36a EStG schließt die Anrechnung von Körperschaftsteuer - neben weiteren Voraussetzungen - aus, wenn "nach Beginn der Vollstreckung" anzunehmen ist, dass die vollständige Einziehung der rückständigen Körperschaftsteuer bei der ausschüttenden Körperschaft keinen Erfolg haben wird. Auf den Beginn der Vollstreckung kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Körperschaft im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden ist.

 

Sachverhalt

Die Klägerin war beherrschende Gesellschafterin einer GmbH. Diese stellte in 1987 ihre werbende Tätigkeit ein und wurde in 1990 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögenswerten der Klägerin auf die GmbH nahm das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Dementsprechend wurden die Ausschüttungsbelastung hergestellt und die KSt 1985 festgesetzt. Den Antrag der GmbH, die KSt-Abschlusszahlung zu stunden, lehnte das Finanzamt ab. Die GmbH leistete gleichwohl nicht. Das Finanzamt mahnte die KSt-Rückstände der GmbH zwar an, versuchte jedoch nicht, bei dieser zu vollstrecken. Die GmbH hatte am 15.3.1988 eine Steuerbescheinigung über anrechenbare KSt gemäß § 44 KStG von 99 895 DM erteilt, woraufhin das Finanzamt gegen die Klägerin für das Streitjahr 1985 einen geänderten ESt-Bescheid erließ, darin die verdeckte Gewinnausschüttung von ursprünglich 177 592 DM sowie die darauf anrechenbare KSt von 99 895 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasste und die KSt auch anrechnete. Durch Änderungsbescheid vom 23.12.1992 wurde die Anrechnung - unter Hinweis auf § 36a EStG 1983 - jedoch rückgängig gemacht; zugleich setzte das Finanzamt die verdeckte Gewinnausschüttung nun mit 117592 DM zuzüglich darauf entfallender KSt von 66 146 DM an. Die Klage gegen den im Anschluss daran ergangenen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO blieb erfolglos[1]. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Abrechnung.

 

Entscheidungsgründe

§ 36a Abs. 1 EStG 1983 schließt die Anrechnung von KSt bei einem Anteilseigner mit beherrschendem Einfluss oder bei einem wesentlich beteiligten Anteilseigner (nur) aus, "soweit die anzurechnende KSt nicht durch die ihr entsprechende gezahlte KSt gedeckt ist und nach Beginn der Vollstreckung wegen dieser rückständigen KSt anzunehmen ist, dass die vollständige Einziehung keinen Erfolg haben wird". Die Vorschrift schafft damit eine Ausnahme von der gesetzlich - nicht zuletzt auch aus Gründen der Praktikabilität - statuierten Regel, dass die Anrechnung der KSt beim Anteilseigner unabhängig davon gewährt wird, ob die KSt von der Körperschaft entrichtet worden ist[2]. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung sind im Streitfall indes schon deshalb nicht erfüllt, weil das Finanzamt der ausschüttenden Kapitalgesellschaft gegenüber keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen und eingeleitet hat. Die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen war auch nicht entbehrlich. Zwar mögen sie sich als nur wenig oder nicht erfolgversprechend erwiesen haben, spätestens nachdem die Gesellschaft im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden war. Angesichts dessen trifft es sicher auch zu, dass die Anrechnung der KSt beim (beherrschenden) Anteilseigner dem Grundgedanken des § 36a EStG 1983 widersprechen kann. Der Gesetzgeber hat den (ausnahmsweisen) Anrechnungsausschluss jedoch ausdrücklich an den -zusätzlichen - Beginn der Vollstreckung als gezielte Verwaltungsmaßnahme geknüpft und die bloße Annahme, dass die vollständige Einziehung der rückständigen KSt keinen Erfolg haben wird, gerade nicht ausreichen lassen, wohl, um den Anteilseigner vor einer "übereilten Anwendung" des Anrechnungsausschlusses zu schützen. Auf die vermutliche Erfolglosigkeit von Vollstreckungsversuchen allein wurde deshalb nicht abgestellt, auch nicht darauf, ob solche Versuche "völlig unnützen Verwaltungsaufwand" bedingen. Der klare Gesetzeswortlaut belässt grundsätzlich keine Auslegungsmöglichkeiten, er verbietet desgleichen Analogieschlüsse auf andere (auch ähn-

liche) Sachverhalte zu Lasten des Steuerpflichtigen.

Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist zu ändern, indem für 1985 KSt angerechnet wird, allerdings nicht - wie von der Klägerin beantragt - in Höhe von 99 895 DM, sondern nur von 66 146 DM. Denn nur in diesem Umfang sind im zuletzt geänderten ESt-Bescheid die zugrunde liegende verdeckte Gewinnausschüttung sowie die darauf anrechenbare KSt gemäß § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG als Kapitaleinkünfte erfasst worden. Nur in diesem Umfang kommt deswegen auch eine entsprechende KSt-Anrechnung in Betracht[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 21.7.1999 - I R 141/97

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