Leitsatz

  1. Leistet der Steuerpflichtige Erziehungshilfe, indem er die betreuten Kinder zeitweise in seinen Haushalt aufnimmt, und erhält er dafür von einem privaten Träger der Kinder- und Jugendhilfe neben einem Gehalt eine pauschale Kostenerstattung, ist diese nur dann als nach § 3 Nr. 50 EStG steuerfreier Auslagenersatz anzusehen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Pauschale den tatsächlichen Aufwendungen im Großen und Ganzen entspricht. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, ist die Pauschale als Bestandteil des Arbeitslohns steuerpflichtig. Die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die notfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln sind, stellen Werbungskosten dar.
  2. Wird der Erziehungshelfer nicht als Arbeitnehmer, sondern selbständig tätig, erzielt er mit der Vergütung Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit, wenn die Erziehung der Gesamtheit der Betreuungsleistung das Gepräge gibt. Die tatsächlichen Aufwendungen stellen Betriebsausgaben dar.
 

Sachverhalt

Die bei einem Kinder- und Jugendhilfe-Verein (V) angestellte Erzieherin leitet eine sog. "beziehungsorientierte Wohngruppe" nach § 34 SGB VIII, die der Erlaubnis bedarf und einer Aufsicht unterliegt[1]. Dabei werden bis zu zwei verhaltensauffällige oder in schwierigen Verhältnissen lebende Kinder über Tag und Nacht von der Klägerin in ihrem eigenen Haushalt – vorübergehend – betreut. V ist ein privater und gemeinnütziger Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Er schließt mit der Pflegesatzkommission jährlich im Wege der vereinfachten Fortschreibung eine Pflegesatzvereinbarung. Der Pflegesatz ist das Entgelt für die Erfüllung eines Betreuungsauftrags. Im Streitjahr (1996) zahlte V der Erzieherin pro Kind und Monat neben dem Gehalt 1110 DM zum Ausgleich der Sachkosten, im Wesentlichen unabhängig von den individuellen Umständen der Betreuerin.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Erzieherin im Zusammenhang mit der Wohngruppenbetreuung negative Einkünfte in Höhe von 391 DM aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil sie an V zwei Kinderzimmer vermietet habe. Das Finanzamt erkannte dies nicht an und setzte stattdessen positive Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit an. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage weitgehend statt, indem es weder die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung noch Einkünfte aus selbständiger Arbeit ansetzte. Die Sachkostenpauschale sei als steuerfreier Auslagenersatz i.S. des § 3 Nr. 50 EStG anzusehen. Dagegen richtet sich die Revision des Finanzamts.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sache zur Prüfung zurückverwiesen, ob die Erzieherin zumindest mit der Betreuung der Kinder in der häuslichen Wohngruppe selbständig oder auch insoweit als Arbeitnehmerin des V tätig ist. Bei Wahrnehmung der Wohngruppenbetreuung als Arbeitnehmerin bezieht sich das Gehalt der Erzieherin auf die Betreuungstätigkeit; die Pauschale je Monat und Kind ist dann eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers, die entweder als Arbeitslohn nach § 19 EStG oder als durchlaufende Gelder bzw. Auslagenersatz nach § 3 Nr. 50 EStG zu beurteilen ist. Bei der Ermittlung der Einkünfte sind die durch die Betreuung veranlassten und von der Klägerin getragenen Kosten als Werbungskosten abzuziehen. Wird die Pauschale als Leistung i.S. des § 3 Nr. 50 EStG beurteilt, geht sie in die Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit überhaupt nicht ein.

War die Klägerin dagegen bei der Wohngruppenbetreuung selbständig tätig, so sind die dafür geleisteten Zahlungen Einkünfte aus erzieherischer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, wenn die Erziehung der Gesamtheit der Betreuungsleistung das Gepräge gegeben hat[2], anderenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Von den Betriebseinnahmen in Gestalt der Pauschalbeträge sind in einem solchen Fall Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzuziehen.

 

Praxishinweis

Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 21.8.1995[3] kann die Pauschale nur dann als steuerfreier Auslagenersatz i.S. des § 3 Nr. 50 EStG angesehen werden, wenn sie im Großen und Ganzen den tatsächlichen Aufwendungen entspricht. Insoweit bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Aus Eigeninteresse sollte er deshalb substantiiert darlegen, dass mit der Pauschale Sachaufwendungen finanziert wurden. Bei Erfassung der Pauschale als Arbeitslohn muss das FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO Feststellungen zur Höhe der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen der Klägerin treffen und diese u.U. schätzen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 2.10.2003, IV R 4/02

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