Leitsatz

  1. Die Ablösung wiederkehrender Bezüge aus einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung durch eine Einmalzahlung kann als Veräußerungserlös tarifbegünstigt sein.
  2. Ist bereits im Jahr der Betriebs- oder Anteilsveräußerung eine Einmalzahlung tarifbegünstigt versteuert worden, steht dies der Tarifbegünstigung der Ablösezahlung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen, wenn die erstgenannte Einmalzahlung im Verhältnis zum Ablösebetrag als geringfügig anzusehen ist.
 

Sachverhalt

Der verstorbene Ehemann (E) der Steuerpflichtigen betrieb bis 1984 eine Handelsvertretung. Anschließend brachte er das Einzelunternehmen zu Zwischenwerten in eine von ihm als Alleingesellschafter gegründete GmbH ein. 1987 veräußerte E seine GmbH-Anteile an X und Y, wobei das Finanzamt einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von rd. 1000 DM besteuerte. Unmittelbar vor der Veräußerung – am selben Tag – schlossen E und die GmbH, vertreten durch X und Y, einen Rentenvertrag. Hierin sagte die GmbH dem E und seiner (überlebenden) Ehefrau eine wertgesicherte Leibrente zu. Als Grund für das Rentenversprechen führten die Vertragsparteien an, dass die Kundenbeziehungen mit der Einbringung der Handelsvertretung ohne Entgelt auf die GmbH übergegangen seien. Das Finanzamt versteuerte die von der GmbH an E und – nach dessen Tod – an die Steuerpflichtige geleisteten Rentenzahlungen erklärungsgemäß als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Wegen drohender Insolvenz beschlossen X und Y im Streitjahr 1998, die GmbH aufzulösen. Sie boten der Steuerpflichtigen an, die Rentenverpflichtung gegen einen erheblich unter dem Barwert liegenden Kapitalbetrag abzulösen. Dieses Angebot nahm die Steuerpflichtige (notgedrungen) an. Das Finanzamt erfasste den Ablösebetrag als laufende Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Das FG wies die Klage, mit der die Steuerpflichtige erstrebte, die Kapitalabfindung als begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG zu versteuern, als unbegründet ab. Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückweisung an das FG.

 

Entscheidung

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG muss im zweiten Rechtsgang klären, welche der drei folgenden Möglichkeiten der Auslegung des Rentenvertrags im Streitfall in Frage kommt.

  1. Ist der Rentenvertrag dahin auszulegen, dass die Rentenzahlungen ein Teilentgelt für die Veräußerung der GmbH-Anteile an X und Y darstellen, so ist die von der Steuerpflichtigen erstrebte Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG 1997 für den Ablösebetrag dem Grunde nach zu gewähren, der Höhe nach aber um den bereits im Jahr der Anteilsveräußerung (1987) ermäßigt besteuerten Betrag zu kürzen.
  2. Ist der Rentenvertrag dagegen als Pensionszusage der GmbH auszulegen, so sind alle Rentenzahlungen einschließlich der 1998 gezahlten Kapitalabfindung als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren, denn die vereinbarte Pension war für den im Zeitpunkt der Zusage (1987) 65 Jahre alten und als Geschäftsführer der GmbH ausscheidenden E nicht mehr erdienbar. Gleichwohl kann der Ablösebetrag auch in diesem Fall eine tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellen. Dem steht die Qualifikation der Rentenzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen nicht entgegen.
  3. Ergibt die Auslegung des Rentenvertrags schließlich, dass die Rente als nachträgliche Gegenleistung der GmbH für die Einbringung des Betriebsvermögens der Handelsvertretung im Jahr 1984 zu behandeln ist, so liegen in den Rentenzahlungen einschließlich des Ablösebetrags ebenfalls verdeckte Gewinnausschüttungen. Auch in diesem Fall kann nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen, insbesondere zur Erforderlichkeit einer neuen Rechtsgrundlage[1], eine tarifbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht kommen.
 

Praxishinweis

Die Entscheidung des Streitfalles hängt von der (zivilrechtlichen) Auslegung des zwischen E und der GmbH bzw. X und Y Anfang 1987 geschlossenen "Rentenvertrags" ab. Diese Auslegung konnte der BFH als Revisionsgericht mangels ausreichender bzw. wegen widersprüchlicher tatsächlicher Feststellungen des FG nicht selbst vornehmen. Die Sache musste deshalb an das FG als Tatsacheninstanz zurückverwiesen werden.

Das FG wird unter Berücksichtigung der Interessenlage der Kontrahenten den wirklichen Willen[2] der damaligen Vertragspartner zu erhellen haben. Insoweit liegt insbesondere die Vernehmung der Anteilserwerber und neuen GmbH-Geschäftsführer X und Y als Zeugen nahe. Ferner könnte von Bedeutung sein, welche Kalkulation die Vertragsparteien bei der Ermittlung der Höhe des monatlich zu zahlenden Rentenbetrags zugrunde gelegt haben.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.1.2004, X R 37/02

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