Leitsatz

Beteiligt sich ein Unternehmer vorsätzlich durch Täuschung über die Identität des Abnehmers an einer Umsatzsteuerhinterziehung, um hierdurch die nach der 6. EG-RL geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat zu vermeiden, ist die Lieferung nicht nach § 6a UStG steuerfrei (Anschluss an EuGH-Urteil vom 7.12.2010, C-285/09, BFH/NV 2011 S. 396).

 

Sachverhalt

K lieferte Pkw steuerfrei u.a. an in Italien ansässige "Gebietsimporteure", die diese an gleichfalls in Italien ansässige "Autohäuser" verkauften. Die Geschäftsführer von K wurden aufgrund ihrer Geständnisse, Abnehmer der Lieferungen seien nicht die Gebietsimporteure, sondern die Autohäuser, und das Ziel einer Steuerhinterziehung aufgrund fingierter Rechnungen in Italien sei ihnen klar gewesen, im Inland verurteilt. Klage und Revision hatten, obwohl die Pkw zweifellos nach Italien gelangt waren, keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Nur hinreichend substanziierten Einwendungen gegen die Feststellungen eines Strafurteils muss das FG nachgehen. Nimmt das FG Beweisangebote nicht wahr, ist darauf zu achten, dass deren Nichterhebung in der mündlichen Verhandlung gerügt und dies im Sitzungsprotokoll festgehalten wird. Ist Letzteres versehentlich unterblieben, muss die Berichtigung des Protokolls beantragt werden.

 

Kommentar

Praxishinweis

Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen. Sind die Nachweise unrichtig oder bestehen – vom Finanzamt hinreichend konkretisierte – Zweifel an deren Richtigkeit, ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern.

Auch wenn objektiv die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Lieferung vorliegen, ist diese steuerpflichtig, wenn der Unternehmer unter Verstoß gegen die Nachweispflichten die Identität des Erwerbers verschleiert, um ihm im Bestimmungsstaat eine Umsatzsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Die Steuerfreiheit greift daher nicht ein, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat durch eine absichtliche Täuschung über den Abnehmer unterlaufen wird.

Die Feststellung, welcher Leistungsbeziehung die Verschaffung der Verfügungsmacht zuzurechnen ist und ob Rechnungs- und Leistungsempfänger identisch sind, obliegt dem FG. Der BFH kann diese nur darauf prüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist sowie mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang steht. Ist das zu bejahen, ist die Tatsachenwürdigung selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wäre.

Das FG darf strafgerichtliche Feststellungen verwerten, wenn dagegen keine substanziierten Einwendungen erhoben werden. Allein der Vortrag, ein Geständnis sei nur mit Blick auf den Ausgang des Strafverfahrens erfolgt, reicht hierfür nicht aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 11.8.2011, V R 50/09.

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