Leitsätze (amtlich)

  1. Ein "hinlänglicher Anlass" für die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen besteht jedenfalls dann, wenn der Betriebsprüfer bei der Prüfung der bankinternen Konten einer Bank feststellt, dass Bankkunden, obwohl sie dort ihre Geldkonten führen, Tafelgeschäfte außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abgewickelt haben.
  2. Ist der Anlass, der zur Ausfertigung von Kontrollmitteilungen berechtigt, von einer solchen Qualität, dass sich hieraus sogar ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ableiten lässt - wie z.B. bei der anonymisierten Abwicklung von Tafelgeschäften (1.) -, entfaltet das so genannte Bankgeheimnis keine Schutz- oder Vertrauenswirkung für den Bankkunden.
 

Sachverhalt

Das Finanzamt führte bei der Antragstellerin, einer Bank, eine Außenprüfung durch, die sich laut Prüfungsanordnung auf die für Kapitalgeschäfte relevanten Steuerarten sowie auf Sachverhalte erstrecken sollte, die für andere Steuerarten von Bedeutung sein können. Der Betriebsprüfer überprüfte u.a. die bankinternen Sachkonten "Wertpapiervermittlungen" bzw. "Wertpapiervermittlungskonto" für 1992 und 1994 sowie das Konto "Kasse". Auf dem Wertpapiervermittlungskonto verbuchte die Antragstellerin u.a. Tafelgeschäfte ihrer Kunden. Die Bareinzahlungen wurden auf dem Gegenkonto "Kasse" erfasst. Anhand der Kassenprimanote stellte der Prüfer fest, dass dort in unmittelbarer zeitlicher Nähe Barauszahlungen in identischer Höhe verbucht waren, die regelmäßig von Spar-, Giro- oder anderen Konten der Bankkunden stammten. In elf Fällen überstieg der Wert der Tafelgeschäfte 100000 DM. Für sieben dieser Fälle erbat und erhielt der Prüfer von der ihm von der Antragstellerin benannten Auskunftsperson die Namen und Anschriften der betreffenden Bankkunden. Das Finanzamt teilte der Antragstellerin mit, es beabsichtige hinsichtlich der sieben Geschäftsvorfälle, Kontrollmitteilungen zu fertigen und an die zuständigen Veranlagungs-Finanzämter zur Auswertung weiterzugeben. Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim FG, dem Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der gleichzeitig anhängig gemachten Hauptsache (Unterlassungsklage) über Tafelgeschäfte ihrer Kunden Kontrollmitteilungen auszuschreiben und an die Wohnsitz-Finanzämter der Kunden weiterzuleiten. Das FG lehnte den Antrag ab[1]. Die Beschwerde zum BFH blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

§ 194 Abs. 3 AO ist eine Vorschrift der verfassungsmäßigen Ordnung, die der Außenprüfung bestimmte Befugnisse zuweist und daher geeignet ist, den von der Antragstellerin geltend gemachten Abwehranspruch zu entkräften. Nach § 194 Abs. 3 1. Alternative AO ist die Auswertung von anlässlich einer Außenprüfung festgestellten Verhältnissen Dritter insoweit zulässig, als die Kenntnis dieser Feststellungen für deren Besteuerung von Bedeutung ist. Das Wort "anlässlich" verlangt jedenfalls mehr als einen bloß zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter. Klar ist, dass die Feststellung solcher Verhältnisse Dritter nicht Grund oder Anlass für eine Außenprüfung sein darf. Eine Außenprüfung darf daher nicht zu dem Zweck durchgeführt werden, die Verhältnisse dritter Personen zu erforschen[2]. Zwischen Außenprüfung und Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen muss ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen. Dies muss kein besonderer Anlass sein, etwa ein solcher, der zwingend den Verdacht einer Steuerverkürzung des Dritten erweckt. Es genügt vielmehr, dass die vom Prüfer gesichteten Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen geben, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können. Der Betriebsprüfer darf die Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen einerseits nicht gezielt unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters und andererseits nicht "ins Blaue hinein", d.h. als beliebige Stichprobe, nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforsten.

Bei Anlegung dieses Maßstabs wird das Verhalten des Betriebsprüfers im Streitfall von § 194 Abs. 3 AO gedeckt. Der Prüfer stellte bei der zu seinem Aufgabenbereich gehörenden Prüfung des Kontos "Wertpapiervermittlungen" Bareinzahlungen fest, denen Barauszahlungen in identischer Höhe gegenüberstanden, die regelmäßig von Spar-, Giro- oder anderen Konten der Bankkunden stammten. Damit stand objektiv fest, dass Bankkunden, obschon diese bei der Antragstellerin Geldkonten führten, Wertpapiergeschäfte mit der Antragstellerin außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abgewickelt hatten. Vor diesem Befund konnte und brauchte der Prüfer seine Augen nicht zu verschließen. Der dabei angelegte Filter "Wert der Tafelgeschäfte über 100000 DM", der ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen