1 Zweck der Regelung

 

Rz. 1

Grundsätzlich obliegt im Lichte der Kompetenzordnung des GenG die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Genossenschaft gem. § 24 Abs. 1 dem Vorstand. Wegen der offensichtlichen Interessenkollision kommt diese Regelung allerdings dort nicht in Betracht, wo es um Rechtgeschäfte mit oder die Prozessführung gegenüber Vorstandsmitgliedern zu tun ist. Abs. 1 weist insofern die organschaftliche Vertretung der Genossenschaft zwingend dem Aufsichtsrat als ›Kollektivorgan‹ zu. Allerdings kann die Satzung die Führung von Prozessen gegenüber Vorstandsmitgliedern an die Zustimmung der Generalversammlung binden (Abs. 1 S. 3). Ist – bei ›Kleinstgenossenschaften‹ (§ 9 Abs. 1 S. 2) – nach der Satzung kein Aufsichtsrat zu bilden, so erfolgt die Vertretung gegenüber dem Vorstand durch einen von der Generalversammlung gewählten Bevollmächtigten. Gem. Abs. 2 bedarf zudem jede Kreditgewährung zugunsten von Vorstandsmitgliedern der Genehmigung des Aufsichtsrates. In Prozessen gegen Mitglieder des Aufsichtsrats obliegt die Vertretung der Genossenschaft den durch die Generalversammlung gewählten Bevollmächtigten.

2 Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern

 

Rz. 2

Die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Genossenschaft gegenüber Mitgliedern des Vorstands liegt gem. Abs. 1 S. 1 ausschließlich in den Händen des Aufsichtsrats. Im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 wurde seitens des Gesetzgebers der Wortlaut der Regelung bewusst ›sprachlich vereinfacht‹ und mit § 112 AktG in Übereinstimmung gebracht (BT-Drucks. 16/1025 zu § 39). Damit ist – entgegen einer früher zum Teil vertretenen Ansicht (Beuthien § 39 RN 4 a; Müller § 39 RN 6) – künftig kein Raum mehr für die Annahme, im Regelungsbereich des § 39 bestünde neben der Zuständigkeit des Aufsichtsrats eine ergänzende (Vertretungs-)Kompetenz der von dem Interessenkonflikt nicht betroffenen Vorstandsmitglieder. Nach dem – nunmehr eindeutigen – Wortlaut der Norm kommt ›es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht darauf (an), ob die Besorgnis (der Befangenheit) in concreto tatsächlich berechtigt ist (…). Es reicht vielmehr aus, dass aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung in derartigen Fällen regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist‹ (so bereits zutreffend zur früheren Rechtslage: BGHZ 130. S. 108 ff., 111 f., 112 = NJW 1995, S. 2559 ff.). Die Vertretungsbefugnis des Vorstands (§ 24 Abs. 1) wird somit zugunsten der Zuständigkeit des Aufsichtsrats abschließend und vollständig verdrängt (Bauer § 39 RN 3; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 39 RN 1; zweifelnd: Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 39 RN 14 ff.). Auch die Befreiung eines Vorstandsmitglieds von der Beschränkung des § 181 1. Alt. BGB, d. h. dem ›In-sich-Geschäft‹, kommt folglich nicht in Betracht. Eine dennoch erfolgte Eintragung der Befreiung im Genossenschaftsregister ist von Amts wegen zu löschen (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 15.06.2009, 3 W 14/09, RPfleger 2009, 622 f. = DNotZ 2010, 152 f = FGPrax 2009, 234).

 

Rz. 3

Die Regelung ist zwingend (§ 18 S. 2) und kann auch seitens der Satzung nicht beschränkt oder abbedungen werden (Bauer § 39 RN 14; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 39 RN 1). Soweit hiernach eine Vertretung der Genossenschaft durch Vorstandsmitglieder ausgeschlossen ist, kommt auch eine Vertretung durch Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und sonstige Beschäftigte oder Bevollmächtigte der Genossenschaft nicht in Betracht, da diese als Arbeitnehmer notwendig der Weisungsbefugnis des Vorstands unterliegen (Bauer § 39 RN 18; Beuthien § 39 RN 2; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff 39 RN 19). Über den engeren Wortlaut hinaus erfasst § 39 nicht nur die rechtsgeschäftliche Vertretung der Genossenschaft, sondern auch die dieser zugrunde liegende interne Willensbildung (Geschäftsführung), soweit sich insofern die Zuständigkeit des Aufsichtsrates nicht bereits aus anderen Kompetenznormen des Gesetzes und der Satzung ergibt (Bauer § 39 RN 2; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 39 RN 3; Müller § 39 RN 1).

 

Rz. 4

Die Bestimmung betrifft nicht nur den Abschluss, die Änderung, die Ergänzung und die Beendigung des Anstellungsvertrags einschließlich sämtlicher Nebenabreden, sondern darüber hinaus auch alle übrigen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zwischen der Genossenschaft und einem Mitglied des Vorstands (Bauer § 39 RN 13). Auf einen Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit oder gar dem Anstellungsvertrag kommt es folglich nicht an (Bauer a. a. O.; Beuthien Ergänzungsband § 39 RN 1; Müller § 39 RN 1 a; a. A.: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 39 RN 7). Sie betrifft sowohl vertragliche Vereinbarungen als auch einseitige Rechtsgeschäfte und Gestaltungsakte (Kündigung).

 

Rz. 5

§ 39 enthält auch keine Ausnahme für ›Zweckgeschäfte‹ im Rahmen der Förderbeziehung (Müller § 39 RN 6; Bayer DStR 1999, S. 1815 ff., 1818; im Ergebnis auch: BGHZ 130, S. 108 ff., 111 f. = NJW 1995, S. 2559 ff.; a. A.: Bauer § 39 RN 15; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 39 RN 14; wohl auch Beuthien § 39 RN 1)....

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