Leitsatz

Die durch die Einleitung eines Strafverfahrens ausgelöste Anlaufhemmung bei der Berechnung der Festsetzungsfrist von Hinterziehungszinsen findet auch bei einer Selbstanzeige grundsätzlich Anwendung.

 

Sachverhalt

Streitig war, ob der Beginn der Frist zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen durch ein eingeleitetes Strafverfahren gehemmt wird. Die 1-jährige Festsetzungsfrist für Zinsen beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO). Diese Anlaufhemmung kommt zum Tragen, wenn das Strafverfahren bereits in dem Jahr eingeleitet wird, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist.

Geht eine Selbstanzeige des Steuerpflichtigen ein, folgt daraus das Vorliegen eines Anfangsverdachts, der wiederum zwingend zur Einleitung eines "regulären" Ermittlungsverfahrens verpflichtet. Dass sich das Strafverfahren in der Praxis häufig darin erschöpft, zunächst nur die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu überprüfen, macht die Einleitung nicht zu einem rein formalen Akt, der für die Anwendung des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht genügen würde. Auch Ermittlungen zur Prüfung der Frage, ob der Verdächtige durch eine Selbstanzeige Straffreiheit erlangen kann oder nicht, sind strafrechtliche Maßnahmen.

Der BFH entschied, dass dies auch mit dem Zweck der Anlaufhemmung korrespondiert, dem Finanzamt die Berücksichtigung der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse bei der Festsetzung der Hinterziehungszinsen zu ermöglichen. Dieser Zweck kommt auch bei Strafverfahren zur Geltung, die nach Eingang von Selbstanzeigen eingeleitet werden.

Diese Rechtsfolgen treten jedoch nur bei einer rechtmäßigen Einleitung des Verfahrens ein. Eine Strafverfahrenseinleitung, die sich als greifbar rechtswidrig darstellt, ist dagegen nicht geeignet, Einfluss auf die Festsetzungsfrist von Hinterziehungszinsen zu nehmen. Denn ein Strafverfahren, das nach den bereits zum Einleitungszeitpunkt erkennbaren Umständen niemals hätte eingeleitet werden dürfen und daher wieder einzustellen ist, kann nicht dazu führen, dass die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen Erkenntnisse zu Tage fördern, die von der zur Festsetzung der Hinterziehungszinsen berufenen Finanzbehörde sinnvoll verwertet werden können.

 

Hinweis

Es ist also wie folgt zu differenzieren:

  • Eine rechtmäßig ergangene Strafverfahrenseinleitung löst, auch wenn sie nur zur Überprüfung einer Selbstanzeige erfolgt, automatisch auch die Anlaufhemmung aus;
  • dies gilt jedoch nicht bei einer rechtswidrigen Strafverfahrenseinleitung.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 29.4.2008, VIII R 5/06.

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