Leitsatz

  1. Aufwendungen des nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.
  2. Eine Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen ist ausgeschlossen, weil der Umzug in das Pflegeheim auf einer freien Entschließung beruht. Eine tatsächliche Zwangslage i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG kann aber nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation.
  3. Die Verpflichtung zu ehelicher Gemeinschaft gem. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet keine Rechtspflicht des Steuerpflichtigen i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, seinen pflegebedürftigen Ehegatten in ein Pflegeheim zu begleiten. Eine unausweichliche sittliche Verpflichtung hierzu besteht ebenfalls nicht.
  4. Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grund nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gem. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Heimunterbringung zusätzliche Kosten der Lebensführung entstanden sind.
 

Sachverhalt

Der schwerbehinderte, auf einen Rollstuhl angewiesene pflegebedürftige M lebte in einem Wohnstift. Seine nicht pflegebedürftige Ehefrau E wohnte ebenfalls dort, aber in einem anderen Appartement. Die Eheleute machten in ihrer Einkommensteuererklärung 51.400 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die M betreffenden Aufwendungen nach Abzug einer Haushaltsersparnis in voller Höhe, die für E geltend gemachten Beträge für Wohn-, Betreuungs- und Verpflegungskosten dagegen nicht. Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Zu den nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Aufwendungen der Lebensführung rechnen die für die Altersheimunterbringung. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines Pflegebedürftigen außergewöhnliche Belastungen. Ist der Steuerpflichtige im Altersheim untergebracht, sind die Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie sich von den üblichen Unterbringungskosten abgrenzen lassen.

Ausnahmsweise sind auch Unterbringungskosten abziehbar, wenn sie allein krankheitsveranlasst sind. E war jedoch weder pflegebedürftig noch krank. Daher waren Unterbringungskosten für E nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen; das auch nicht etwa deshalb, weil der M aus Krankheitsgründen dort war. Der Umstand, dass E ihm ins Wohnstift folgte, war kein unabwendbares Ereignis, sondern beruhte auf dem freien Willensentschluss der Klägerin.

Der BFH konnte weder rechtliche Gründe – es besteht keine Pflicht zum räumlichen Zusammenleben – noch ein sittliches Gebot erkennen. Sittlich zu billigende oder anerkennenswerte Gründe genügen nicht. Es reicht nicht, dass ein gemeinsames Übersiedeln in das Wohnstift menschlich verständlich ist. Denn die Gesellschaft fordert nicht unausweichlich, dass ein "gesunder" Ehegatte den bisher gemeinsam geführten Hausstand aufgibt und seinen pflegebedürftigen Ehepartner in ein Heim begleitet. Das verstieß auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 15.04.2010, VI R 51/09.

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